Samstag, 22. September 2012

berührungen, nähe (und distanz)

Nähe und Distanz. Ein Thema für viele Borderliner. Und bei mir ist es eher stark ausgeprägt. Ist ja immer wieder Thema hier. Sobald zu viel Nähe entsteht, ziehe ich mich total zurück, sprich: baue eine Mauer um mich herum auf und schaffe somit eine Distanz. Nichts mehr kann dann zu mir durchdringen. Meist helfen da auch die heftigen Glaubenssätze. Ich kann dann nicht über einen Mann schwärmen, denn sofort denke ich, dass es eh nichts wird. Und somit wäre die Distanz zur angstmachenden Nähe geschaffen.

Äusserlich bemerkt man diese Mauer kaum bis gar nicht. Nicht einmal Menschen, die mich jahrelang kennen, wobei es da auch auf die Umstände etc. ankommt. Aber meist wird es nicht deutlich. Es spielt sich eher "innerlich" mit einem Druck auf dem Brustkorb und dem Wegbleiben des regelmässigen Atmens ab.
 
Es ist nicht so, dass ich als Kind keine Liebe und Umarmungen erhalten habe. Ich hatte eine echt behütete Kindheit und auch jetzt noch fühle ich mich bei meiner Familie sicher und wohl.
 
Es ist nichts Persönlichen anderen Menschen gegenüber, aber ich lasse mich einfach nicht gerne anfassen. Ich habe noch nicht herausgefunden, ob es Grundgedanken sind oder ob ich einfach der Mensch dieser Art bin. Aber ich habe es einfach nicht gerne.
 
Lange hat meine Therapeutin herausfinden wollen, ob ich als Kind missbraucht worden bin. Und ich musste mich lange dagegen wehren. Ich kann mich an nichts erinnern und meine Mutter habe ich in einem ernsten Gespräch auch mal gefragt. Sie hat zu mir gemeint, dass ich nie mit einer solchen Sache zu ihr gegangen wäre.
 
Ich war sogar so weit in Gedanken, mir zu überlegen, ob vielleicht mein Grossdäddi etwas damit zu tun hatte. Und ich finde das ein absurder Gedanke. Ich habe mich sofort geschämt, als dieser aufgekommen war. Ich erinnere mich an schöne Stunden mit ihm, wir haben oft auf dem Sofa gekuschelt, mit den Händen „unser Spiel gespielt“ und er hat mich auch oft am Morgen liebevoll zugedeckt. Ich schaltete diesen Gedanken sofort ab. Es waren schöne Erlebnisse, ich möchte ihn so in Erinnerung behalten und schlussendlich wären mir doch dann auch die schlechten Erlebnisse geblieben.
 
Nicht jeder Borderliner ist missbraucht worden. Und ich definitiv nicht.
 
Fakt ist: ich kenne Berührungen und Umarmungen kaum. Sei es jetzt von Kolleginnen, Familie oder Männer (da ist es ja am schlimmsten...). Sobald ich mich daran gewöhnt hätte, würde es mit der Zeit bestimmt gehen. Mal besser, mal weniger (abgesehen von diesem leidigen Thema Männer...). Denn Pupa ist da anders. Bei der Begrüssung umarmen wir uns innig, so auch bei der Verabschiedung. Ab und zu eine liebevolle Geste, mit der Hand über den Rücken streichen, das Handgelenk sanft umfassen... sich einfach seine Zuneigung zueinander (in Sachen Freundschaft natürlich!) zeigen und so mitteilen, dass man für den anderen da ist.
 
Ich habe sehr tief verankerte Glaubenssätze. Ich musste für die Therapeutin aufschreiben, werde hier aber nicht alle nennen. Es sind viele und ich fühle mich nach dem Lesen einfach nur traurig und irgendwie als Verlierer.
 
Fakt ist: ich habe kein Selbstvertrauen. Überhaupt nicht. Ich stehe nicht zu mir. Gegen aussen lache ich, witzle ich und viele kämen nie auf den Gedanken, dass ich eigentlich introvertiert, eher pessimistisch und so angeschlagen bin. Aber mehr dazu später.
 
Ein sehr schwerwiegender Gedanke ist der mit dem Ekel. Hier auch schon oft erwähnt. Meine Überzeugung ist, dass Menschen sich ekeln, wenn sie mich anfassen müssen. Gleichzeitig ekeln sie sich davor, wenn ich sie berühre. Ist so, fertig aus und basta.
 
Zudem habe ich oft das Gefühl, laut zu sein, peinliche Dinge rauszulassen und nicht meinem Alter zu entsprechen. Rückmeldungen sind meist positiv und ich weiss, dass ich mich ganz anders sehe und einschätze, als ich in Wirklichkeit bin und auf andere wirke.
 
Aber in einer Gruppe fühle ich mich schnell unwohl. Ist oft in der Pause so. Ich nehme mir vor, mich zurück zu halten, einfach mal zuhören und ein wenig ruhig sein. Und doch habe ich dann oft das Gefühl, ewig geplappert zu haben. Wie auch heute. Es war eine lustige Runde, es wurde gelacht und ja, anscheinend kommen meine Kommentare an. Aber im Nachhinein kommt sofort der Gedanke, dass die Leute bestimmt ihre Sache denken werden, wie peinlich und kindisch ich doch mit meinen 25 bin und und und... Es ist ein riesen Dämpfer und ich traue mich dann immer weniger, etwas zu äussern.
 
Es ist ungewöhnlich, wenn ich anscheinend auf jemanden sympathisch wirke und dies mir auch signalisiert wird.
 
Und wenn es dann noch ein junger Bub im Alter meines Bruders macht, bin ich erst recht verunsichert und es fühlt sich dann einfach komisch an. Und - zugegeben - ungewohnt. Habe ja als Teenie nicht wirklich "mitmachen" können bei solchen "Dingen".
 
Ich fühle mich dann in solchen Momenten immer ein wenig hilflos und irgendwie verurteile ich mich dann als Mensch erst recht. Vor allem, weil ich es ja eher geniessen sollte, als sofort mit Glaubenssätzen bereit zu stehen. Aber zum Genuss kommt es gar nicht. Es ist immer eine Anspannung da und fühlt sich eher unangenehm an. Daher vermeide ich wohl solche Situation.
 
Glaubenssätze analysieren und durchbrechen möchte ich nicht, weil es eh nichts bringen würde. Sie sind zu stark und tief verankert. Und irgendwie kommt für mich schon gar keine andere Sache dazu in Frage. Sie sind und es ist so. Aus, fertig, basta.
 
Aber ich finde nicht, sie wirken gegen aussen auf Männer um mich herum. Im Alter von 18 bis 23 musste ich mir dies oft von einer bestimmten Kollegin anhören. „Mach auf, zambrottagirlie. Männer spüren das!“
 
So ein Stuss! Ausserdem wirke ich anders, als ich immer glaube. Das habe ich immer wieder erfahren (müssen). Sei es an der Hochzeit, als alle meinten, ich hätte sie genossen. Oder die Ex meines Cousins, die meinte, wir würden uns so gut verstehen (bitte?!). Oder mir fremde Menschen, die erstaunt sind, wenn ich sage, ich sei eher schüchtern. Bester Beweis der doofe Doktor in Deutschland (ihr erinnert euch an die Abklärung?). Ich hatte zuerst ein normales Gespräch mit ihm und musste dann ein Fragebogen ausfüllen. Danach kam er erstaunt und meinte, gemäss Fragebogen wäre ich einfach total unsicher, hätte aber im Gespräch überhaupt nicht so auf ihn gewirkt.
 
Tja... Genug Gründe für mich. Aber die Sätze der Kollegin haben mich echt verunsichert und sie kommen jetzt noch häufig auf. Aber mittlerweile denke ich mir einfach, ich bin hässlich und einfach nichts wert. Ist irgendwie leichter. Diesen Satz nehme ich so entgegen und stimme dem zu. Lieber so, als grübeln.
 
Lange Rede, kurzer Sinn: ich weiss nicht, wie beschrieben, damit es nicht so klingt, als würde ich mir mehr erhoffen. Denn so ist es nicht. Rein kollegial. Und gleichzeitig will ich doch einfach diese positive Rückmeldung geniessen und annehmen. Und auch, wenn die betroffene Person sehr jung ist, es ist und bleibt ein männliches Wesen.
 
Es ist mir vor allem letzte Woche beim Geschäftsausflug aufgefallen. Er ist im Alter meines Bruders und ich vergleiche sie doch oft. Mein Bruder ist kein typischer 19-Jähriger und ich finde es auch gut so. Nicht jeder jung Mann muss sich seine Hörner abstossen. Er ist ein ruhiger, geselliger Typ, raucht und säuft nicht und Drogen sind auch kein Thema. Er ist von seiner Einstellung und seinem Charakter her mir sehr ähnlich. Einfach in männlicher Form :-). Und ja, ich denke, es gibt Menschen, die viel reifer sind, als ihr Alter es aussagt.
 
Der junge Typ vom Geschäft ist auch locker und immer für einen Spass gut. Er spricht anständig, benimmt sich und soviel ich weiss, hat er ausser Sport nicht wirklich viel Unanständiges im Kopf (nein, Sport gehört natürlich nicht dazu ;-)).
 
Bei diesem Ausflug waren wir im gleichen Team. Wir haben an einem „Postenlauf“ der besonderen Art teilgenommen. Den gibt es in der Schweiz noch in weiteren Städten. Mir hat diese Aktion echt gut gefallen. Als ich aufstand und bemerkte, dass er das gleiche tat, grinste er bereits breit und stellte sich neben mich. Und was dann kam, nahm mir ein wenig den Wind aus den Segeln. Damit hatte ich nicht gerechnet. Er meinte nur: „Ah, mit zambrottagirlie in einem Team. Wird bestimmt lustig. Das freut mich jetzt aber!“ Dabei stupste er mit seinem linken Oberarm und Ellenbogen an meinen rechten. Nicht lediglich einmal. Bestimmt über zehn ;-D!
 
Es ist vielleicht schwierig, nachzuvollziehen. Aber ich kenne es nicht so. Und muss es daher verarbeiten. Es stimmt mich traurig und wütend, dass ich einfach so bin, wie ich bin in dieser Sache. Es war mir nicht unangenehm.
 
Aber ich war wirklich baff. Weil ich nie davon ausgegangen wäre, dass mich a) ein Mann b) dazu noch so ein junger c) freiwillig berührt. So gar keine Berührungsängste hat und dann auch noch meint, dass man mit mir eine gute Zeit haben kann.
 
Mich freiwillig berühren? Eine gute Zeit mit mir verbringen?
 
Ich, die nur ekelhaft bin. Ich, die nur Stuss rauslasse.
 
Vielleicht bin ich auch zu hart in meiner Meinung, dass (vor allem junge) Männer extrem oberflächlich sind. Oder nehme mich einfach wirklich total falsch wahr.
 
Eben, es geht mir persönlich nicht um die Tatsache „uuuuh, ein Mann hat dich berührt, der will was von dir (was auch gar nicht logisch wäre und ich sowieso nicht denke...))“, es ist halt einfach ungewohnt. Und ja, ich musste schlucken, weil ich es einfach nicht kenne. Vielleicht ist es doch die Selbstwahrnehmung. Aber eine zambrottagirlie kann nie gut genug sein für dieses Leben. Ich erinnere mich an eine Situation mit ihm beim Mittagessen. Es waren zwei Mädels (Lernende) dabei. Und ich denke schon, dass die ihre Freude an mir haben. Wir hatten es über Schüchternheit und ich meinte: „Ich bin auch total schüchtern..:“ Sein „Was, du?!“ Ging irgendwie unter. Aber das hatten wir schon weiter oben mit dem Arzt aus ihr wisst schon wo ;-).
 
Der Ausflug war dann auch wirklich toll und irgendwie ging es von da an. Ich mache Witzchen mit ihm, gebe Kontra, wir können miteinander reden und ich weiss einfach nicht, warum ich es nicht geniessen kann (nicht die Sache mit einem Mann (obwohl doch irgendwie ein Mann darin vorkommt), es geht lediglich darum, dass ich doch Berührungen zulassen kann, doch Menschen nicht ekle, doch Menschen unterhalten kann, doch okay zu sein scheine so wie ich bin,...). Es gibt keine Berührungsängste, Blickkontakt kann gehalten werden und auch ich habe keine Ängste, mal scherzhaft mit meiner Faust gegen seinen Oberarm zu stupsen.
 
Etwas, das ich gar nicht kenne. Nicht einmal mit meinen Cousins oder sonstigen Verwandten in Italien packe ich es.
 
Es ist ungewohnt, gezeigt zu bekommen, dass man okay ist. Ausser, ich interpretiere alles falsch :-). Am Mittwoch zum Beispiel hatten wir eine Info. Ohne zu zögern, peilte er meine Richtung an, liess sich neben mich plumpsen und grinste mich frech an. Was mich auch sehr verunsichert, ist, wenn ein Mensch gewissen Abstand zu mir hält. Ich denke mir dann immer: „oookayyy, dann bin ich halt giftig!“. Bei ihm war es das krasse Gegenteil. Als hätte er kalt und Wärmebedarf :-). Ich fand es nicht unangenehm. Aber ehrlich zugegeben ungewohnt. Er blieb auch so sitzen. Arm an Arm. Es war eine perfekte Übung und ich muss lernen, gewisse Dinge auszuhalten. Nähe und Fluchtimpuls zum Beispiel. Vor allem letzteres setzt beim Thema Männer sehr schnell ein.
 
So auch vor Feierabend. Gewisse Geräte befinden sich nicht im Büro. Als ich dort die Tür öffnete, grinste er mir schon entgegen. Ich holte mein Dokument aus dem Kopierer und da stellte er sich einfach frech daneben (eben wieder so, dass sein Arm meinen berührte) und studierte meine Unterlagen einfach mit. Ich zucke zwar immer noch zurück, aber merke, dass es doch gehen würde.
 
Es hat bei mir nichts mit Anziehung zu tun. Mir geht es um meinen Gewinn, den ich bei dieser Sache mache. Das Lernen. Das es gar nicht so schlimm ist.

Und doch: die bösen Gedanken und Selbstzweifel kommen immer wieder und es ist echt anstrengend, wenn man sich immer wieder selbst sagen hört, wie sch***** man doch ist. Kein Wunder, resigniert man da.
 
Aber warum rechtfertige ich mich überhaupt? Weil es meine Art ist :-).
 
Mal gucken, was noch kommt (nein, nicht so gemeint ;-)).

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