Mittwoch, 30. Mai 2012

nerven liegen blank

Selbst die kleinsten Dinge, die nicht so möchten wie ich es will, bringen mich in letzter Zeit aus der Bahn. Klar, ich mit Borderline-Persönlichkeitsstörung erkenne den Unterschied sofort, wenn meine Anspannung ins Unermessliche zu schiessen droht und spürt das im körperlichen Ausmass enorm.

Nur verspüre ich dies in den letzten Wochen fast täglich. Es wäre nicht so beunruhigend, wenn ich es nicht so kennen würde. Bis jetzt nahm ich diese echt grossen Anspannungen vielleicht vier bis höchstens acht Mal im Monat wahr. Teilweise mehr, teilweise weniger. Und wenn ich sie wahrnahm, nicht so intensiv wie jetzt. Deswegen habe ich ja oft noch jetzt Diskussionen mit meiner Therapeutin. Ich konnte nie wirklich Skills üben, weil ich immer unter dem Kontrollverlust (bei einer Skala von 0 auf 100 liegt der bei 70, ich befinde mich stets zwischen 30 und 60) lag und sie somit nicht anwenden konnte. Sobald ich sie anwenden konnte, konnte ich erst eruieren, ob es mir etwas nützt oder nicht. Somit trage ich auch kaum den Notfallkoffer mit mir herum. Was bringt mir diese zusätzliche Last, wenn sie eh nicht gebraucht wird?

Ich fühle mich dann nur immer an mein Schicksal erinnert. Und das nervt und zermürbt mich. Aber kaum jemand aus therapeutischer Sicht kann das verstehen.

Heute ist mal wieder so gar nicht mein Tag gewesen. In letzter Zeit sollte ich mich daran gewöhnt haben, aber es geht einfach nicht mehr lange gut so weiter. Früher habe ich mich vielleicht alle 18 Monate oder später selbst verletzt. Seit Mitte April habe ich so gar keine Kontrolle mehr darüber. Und ehrlich gesagt ist es mir auch irgendwie so was von egal, dass ich es nicht mehr im Griff habe. Ich weiss nicht, ob ich damit versuche, die Zeit zurück zu drehen. Ich möchte zurück zur Zeit, als es mir auch schlecht ging, ich mich schnitt, unregelmässig und ungesund ass und mit dem Kaufverhalten nicht wirklich alles im Blick hatte. Aber irgendwie (und so absurd das klingen mag!) hatte ich Arbeit, war zufrieden mit mir und meinem Leben und die Umstände waren mehr oder weniger okay.

Seit bald fünf Jahren gleitet mir immer mehr aus den Händen. Kann man da meinen Unmut, meine Unzufriedenheit und meine Gedanken nicht ein wenig nachvollziehen?

Zuerst geht die Selbstachtung flöten, dann das Selbstbewusstsein und schlussendlich bleibt einem nur noch diese riesen Verachtung und den Selbsthass. Erwartungen werden runter geschraubt und immer mehr wird klar, wer wirklich zu den wichtigen Menschen gehört. Ich wusste es zwar schon vorher, aber Familie ist und bleibt eine riesen Hilfe.

Ich habe es schon ein paar Mal erwähnt, dass ich schon immer mollig war. Aber irgendwie kam ich immer klar damit. Mein Körper war irgendwie immer da, funktionierte und ich musste mich nicht gross mit ihm auseinander setzen. Seit bald zwei Jahren mag ich selbst den nicht mehr. Es ist mir egal, ob ich ihm Schmerzen zufüge, was er empfindet oder was er aussendet. Ich kann es ja eh nicht herausspüren. Er ist wochenlang ruhig und ich sehe immer weniger ein, warum ich mich ausgerechnet auf ihn achten sollte. Es hat nichts mit Trotz zu tun. In meinen Augen funktioniert er einfach nicht richtig und obwohl ich bis vor ein paar Wochen kaum etwas gegen ihn verspürt habe (Ekel ist eher mir als Person gegenüber und dem Kopf, ab Hals gehört es nicht mehr für mich dazu), merke ich, wie ich ihn so richtig zu verachten beginne. Als Ganzes.

Ansonsten würde sich kein Mensch auf dieser Welt selbst verletzen. Egal, in welcher Form und mit welcher Sucht. Davon bin ich überzeugt.

Aber zum eigentlichen Eintrag. Die nächsten Tage werden noch viele von diesen folgen. Ich muss es schlussendlich los werden und wer nichts davon wissen will, soll es überlesen oder es sein lassen. Es geht immer noch darum, dass es mir gut tut. Und das ist und bleibt das einzig Wichtige für mich.

Heute Nachmittag war ein Spaziergang mit Schila und Alina (ehemalig Mon Amour) vorgesehen. Ich hatte schon ein mulmiges Gefühl, aber wie so oft schob ich es einfach beiseite. Kaum losgelaufen, kam auch schon der Haufen, der sich einfach nicht lösen wollte. Tiere verschlucken Haare und verdauen diese mit. Schila hat viel Fell und leider passiert es dann, dass etwas hängen bleibt. Meistens verschlimmert sie es und verschmiert alles. Ich verdrehte schon die Augen und musste mit ihr in ein Bach steigen, um ihr den Hinter feucht abwischen zu können. Zum Glück hatte ich Nastücher dabei.

Und doch: ich war unendlich angespannt und hätte am liebsten eine Schere zur Hand gehabt. Und das meinte ich ein paar Zeilen weiter oben. Schon etliche Male ist es mir passiert, aber nie war dann die Anspannung so plötzlich so enorm angewachsen, dass ich direkt daran dachte, mich selbst zu verstümmeln.

Erst recht wäre ich am liebsten aufs Gleis gesprungen, welches ganz nahe vorbei fährt, als ich zu schwitzen begann. Ich hasse es sonst schon und in der Familie ist das leider vererbt, dass man schnell am Kopf Wasser verliert, aber ich denke dann nur am meine Frisur und wie verschlimmert es dadurch wird. Löcher werden deutlich sichtbar und ich habe ja besonders vorne kaum mehr die Anzahl Haare, die man braucht, damit es gut aufgefangen würde.

Ich hätte heulen können.

Schlussendlich ging es irgendwie weiter. Und doch, für mich ist es dann irgendwie doch gelaufen und ich brauche lange, um mich abzureagieren und wieder "normal" funktionieren zu können.

Es ist einfach nicht meine Zeit. Ich hasse den Blick in den Spiegel einmal mehr, habe nur noch böse Gedanken und Worte für mich übrig und schminke mich schon gar nicht mehr. So hart es klingen mag, es hat irgendwie geholfen, als ich mich dazu zwang. Keine Ahnung, inwiefern, aber es ging. Obwohl ich den Selbshass verspürte.

Meine Schwester hat mich schon einmal gefragt, warum ich mich denn schminke, obwohl ich mich nicht mag. Ihre Frage ist berechtigt und eigentlich hat die Sache auch keine Logik. Aber irgendwie finde ich dann, dass ich immerhin vom Gesicht her ein wenig in die Gesellschaft passe und seien wir mal ehrlich: so stark schminke ich mich bei Weitem nicht, dass es auffallen sollte. Ungeschminkt fühle ich mich nämlich unwohl und erst recht finde ich mich dann zum kotzen. Ich habe den Grundgedanken, dass ich dann durch meine Hässlichkeit noch mehr auffalle. Und das möchte ich überhaupt nicht. Ich bleibe lieber unscheinbar und unsichtbar. Vielleicht kommt daher der Zwang mit dem Griff zur Farbpalette.

Aber in letzter Zeit mache ich es nur widerwillig, mich anzuschauen.

Es geht einfach nicht.

Dieser Würgereiz, dieser Hass, diese Resignation.

Ich denke, ich habe einen Teil von mir verloren. Egal, was ich tun werde, er wird nicht zurück kommen. Und das scheisst mich noch mehr an (entschuldigt den Ausdruck, aber es fühlt sich genau so an).

Und so will ich nicht weitere 70 Jahre leben müssen.

Aber ich weiss ja, dass ich nicht alt werde.

Fragt mich nicht, woher es kommt. Ist einfach tief in mir verankert. War schon immer so, wie auch, dass ich  mich nicht verheiratet und mit Kindern sehe.

Warum konnte ich also nicht dieses Schicksal voraussehen?

Fakt ist: ich habe keinen einzigen Nerv mehr übrig.

2 Kommentare:

  1. Ich wünsche dir, dass sich deine Nerven beruhigen, sie sich stärken. Dass du einen Schritt vorwärts kommst. Dass du wieder Glück erfährst. Dass du wertgeschätzt wirst.

    "Geht man den Weg des Friedens,
    ist man im Kampf nicht zu schlagen,
    weil man letztlich nicht gegen jemand anderen kämpft,
    sondern nur gegen sich selbst.
    Besiege dich selbst, und du wirst die Welt besiegen."
    (Paulo Coelho aus "Aleph")

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    1. Danke dir. Ich wünsche mir diese Dinge schon gar nicht mehr, ich sehne sie schon verzweifelt herbei. Und anscheinend eher auf einem "falschen" Weg, aber wie soll man ansonsten alle Dinge kompensieren, die ich in den letzten Monaten mitmachen musste?

      Mir ist bewusst, es gibt auch andere Menschen mit heftigen Schicksalen. Und doch fühlt es sich immer noch schlimmer an, wenn ich an meine vergangenen Jahre denke.

      Danke für deinen Spruch. Echt ein Zufall: Pupa hat mir den gleichen geschickt :-).

      Lieben Gruss
      zambrottagirlie

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