Ich weiss, ich darf nicht zu kritisch sein. Vor allem, weil
ich weiss, wie hart ein solcher Job ist. Meine Schwester hat sich zur
Detailhandelsfachfrau ausbilden lassen und arbeitet seit bald 12 Jahren in
diesem Beruf. Von dem her weiss ich bzw. habe ich viele Dinge erfahren. Vor
allem, was ein Mitarbeiter im Verkauf da so mitmachen und mit sich machen
lassen muss.
Ich bin daher sehr respektvoll (was eigentlich
selbstverständlich sein müsste in Sachen Erziehung!). Ich achte darauf, ob mir
etwas runterfällt und hänge es wieder auf dem Bügel auf und auf die Stange bzw.
versorge die Dose oder die Verpackung. Und auch sonst bin ich eher geduldiger
mit den Fachfrauen bzw. „behellige“ sie nicht mit Fragen. Ich meine, heutzutage
weiss man, dass alle vorhandenen Artikel im Laden hängen und nicht noch als
Reserve im Lager verstaut sind. Von dem her gehe ich schon nicht mal eine
Verkäuferin fragen. Ich gehe nicht einmal nachfragen, ob der Artikel auch in
einer anderen Filiale vorhanden ist. Es ist für alle einfach nur unnötiger
Aufwand, wobei man sich in diesem Fall streiten könnte, ob es nicht noch unter
Kundendienst geht.
Gestern sind wir mal wieder Sachen aufgefallen - einfach
unglaublich! Ich verstehe den Druck der Verkäuferinnen, aber so einen Satz
hätte meiner Schwester erst einmal eine saftige Abmahnung eingebrockt. Ich
stand im einen Kleiderladen und stellte mich an die Kasse. Eine wurde bedient
und ich sowie eine andere Frau standen an, wobei ich die Letzte in der Reihe
war. Ich war erstaunt und erfreut zugleich, als sofort eine Verkäuferin die
zweite Kasse aufmachte, ist ja sonst eher weniger der Fall. Sie meinte zu uns
zwei hinteren Frauen: „Kasse ist offen, Sie können gerne zu mir kommen!“ Die
Dame vor mir zögerte, ich blieb artig auf meiner Position (wer zuerst da war,
hat Vortritt!). Diese jedoch war wohl einen Augenblick lang irritiert und die
Verkäuferin wiederholte: „Kasse ist offen!“ Pause. Gefolgt kam ein
Schulterzucken und gleichgültiges „Oder ich kann die Kasse halt auch wieder
zumachen, wenn niemand kommt“. Solche Dinge - finde ich - kann man sich denken.
Oder anders formulieren. Es kam wirklich sehr plump rüber und das geht einfach
nicht.
Dafür konnte ich abends das Gegenteil beobachten. Man kennt
ja irgendwie auch die Gefahr von Stosszeiten an der Kasse. Und in diesem Laden
rückt eigentlich noch rasch Hilfe an, wenn eine Kassiererin den Gong schlägt.
Naja, ich stand also an dieser Kasse an und bekam irgendwie nicht mit, wie die
Schlange länger wurde. Die Kassiererin hatte ich noch nie gesehen, was also
eher neu. Plötzlich hörte ich hinter mir „Könnte man eine zweite Kasse
aufmachen?!“. Ich blickte zurück und sah einen Mann Mitte fünfzig mitten in der
Schlange stehen. Die Dame läutete sofort und nach ein paar Sekunden erschien eine weitere Mitarbeiterin.
Der Mann liess es sich natürlich nicht nehmen und sah sich als Erster in der
neuen Reihe - er hatte ja auch dafür gesorgt, dass endlich eine weitere Kasse aufgeht! Bis dahin fand ich es noch
einigermassen okay, es kann teilweise schon sehr unangenehm werden in einer
langen Schlange. Aber da hörte ich den Mann schon auf die neue Kassiererin
einreden: „Sollte dies eigentlich nicht schon fast automatisch gehen? Warum
müssen wir so lange warten?“ Die Kassiererin erwiderte freundlich, dass die
Mitarbeiterin vielleicht gerade sehr
konzentriert gearbeitet hat und es ihr aus Versehen nicht aufgefallen
ist. Da meinte der Typ weiter: „Aber die sollte eigentlich nicht sein, da
müsste man schneller schalten, finden Sie nicht auch?“ Und da entfuhr mir ein
tiefer Seufzer, ich schüttelte den Kopf und ein „Brummen“ stolperte über meine
Lippen. Gesagt habe ich natürlich nicht. Aber in Gedanken „finden Sie nicht auch?!“ zig mal nachgeäfft.
Was soll die Mitarbeiterin darauf antworten? Loyal dem Kunden gegenüber sein
(Kunde ist König) oder zu ihrer Meinung und Mitarbeiterin stehen? Wir vergessen
einfach viel zu oft, dass Verkäuferinnen nicht Roboter sind. Klar,
Kundenkontakt ist anstrengend und ein grosser Teil ihrer Arbeit. Man muss damit
umgehen können und ich finde mürrische und übel gelaunte Verkäuferinnen auch
nicht gerade der Hit. Auch ich versuche mich an schlechteren Tagen
zusammenzureissen und jeden gleich zu behandeln, auch ich habe Kundenkontakt.
Und doch darf man sich doch äussern, wenn eine Grenze
überschritten wird. Und der Beruf Verkäuferin und der Status „Kunde ist König“ erlauben noch lange
nicht, dass man alles mit sich machen lassen muss!
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