Freitag, 9. Juni 2017

all you can...

Ich stehe ein wenig im Klintsch. Oder mir selbst im Weg. Wenn es nach den Rückmeldungen meiner Kolleginnen gehen würde. Aber so bin ich nun mal. Ich persönlich stehe zu mir, ich kenne mich nur korpulent... aber lasse mich schnell von Blicken, Gestern oder auch eigenen Wahrnehmungen meinerseits beeinflussen und verunsichern.

Klar, ich kleide mich so, wie ich es mag. Nach Lust und Laune. Für meine Figurkategorie in manchen Augen eher ungewöhnlich oder "mutig". Wobei es nie mutig sein sollte, wenn ein Mensch das trägt was ihm gefällt und sich so schminkt, wie er oder sie es möchte. Und ja, es liegt auch ein wenig daran, dass ich nach wie vor mein altes Bild im Spiegel sehe. Ich glaube den Rückmeldungen nicht - sind ja meist auch eher von meiner Therapeutin, Pupa, meiner Coiffeuse und Muddi. Und meine radikale Abnahme bzw. das Hungern kommen ja nicht daher, weil ich abnehmen wollte. Es war mir einfach alles zu viel und schlug bzw. schlägt mir immer noch auf den Magen. Dann der fast exzessive Sport...

Nicht umschreiben, Klartext reden - ja, ich versuche, Zeit zu schinden .Es ist ein unangenehmes Thema. Und wahrscheinlich ist es mir unangenehm, weil ich die Antwort schon kenne. Das ich eigentlich "scheiss auf die Meinung" anderer denken und das tun sollte, was ich möchte und worauf ich Lust habe.

Es geht um die Gruppe junger Leute, mit der ich ab und zu etwas unternehme. Unter anderem sind ja da meine beiden hübschen Kolleginnen (brünett und blond) dabei, der gewisse Mitarbeiter, Mr. Flirty... Joa. Und vor ein paar Wochen ist eine Umfrage zu "All You Can Eat" im Ausland erstellt und verschickt worden. Ich füllte es nicht aus. War mir unsicher. Moppelig und All You Can Eat. Ist ja wie etliche weitere Vorurteile. Dann kam der Reminder, dass die Umfrage bald geschlossen werden würde. Ich meldete mich dann, warum auch immer, doch an. Um dann zu Beginn dieser Woche da zu sitzen und mir zu denken: "Das ist doch pervers. Du bei einem All You Can Eat. Das ist einfach nur pervers." Ich wollte mich abmelden. Es aber nicht so direkt mitteilen. Wich also auf eine Terminkollision aus. Die Reaktionen waren leider "zu fürsorglich" und ich bekam ein schlechtes Gewissen. Es schien wirklich so, dass die Enttäuschung im Raum stand und ich glaube, die anderen haben gar nicht so weit überlegt, wie ich. Dass ich korpulent bin und an diesem Essen teilnehme scheint für sie einfach das zu sein, wie für jeden anderen auch: Lust, etwas zu unternehmen. Und ich weiss ja im Grunde, dass "mein" Umfeld mit meiner Figur kein Problem hat. Alle nehmen mich in den Arm und es ist ja sichtbar, dass ich mehr auf den Hüften habe.

Naja, es kam der Donnerstag und da stand das Mittagessen mit einigen von der Gruppe statt. Die einte Dame meinte wirklich, dass ich alles Mögliche tun solle - es sei doch schade, wenn ich nicht daran teilnehmen könne. So auch die andere Dame in der Gruppe. Die Männer sind halt Männer, aber irgendwie hatte ich schon das Gefühl, dass Mr. Flirty um meine Aufmerksamkeit bemüht war. Und ja, auch da gab es zum Schluss wieder hemmungsfreie Umarmungen. Die brünette, hübsche Kollegin arbeitet ja im gleichen Büro wie ich. So fuhren wir auch wieder zusammen zurück. Sie fragte, ob ich mich denn nun entschlossen hätte. Und da vertraute ich mich ihr an. Sie meinte nur, ich solle ja nicht mehr darüber nachdenken, dies sei doch ein dummer Gedanke. Sie sei gertenschlank (wenn man sie nicht kennt, könnte man wirklich denken, sie wäre magersüchtig, aber in ihrer Familie sind alle so dünn) und selbst wenn sie das Restaurant betreten würde, würde sich doch jeder etwas denken. Und wenn es so sei, sollen es die anderen doch. Ich sei in der Gruppe und darauf käme es an.

Okay. Heute war ich bei meiner Coiffeuse. Sie ist um einiges korpulenter wie ich, aber kleidet sich auch sehr modern und einzigartig. Nur ist ihr Selbstvertrauen noch viel stärker wie meins und ja, sie lernt auch viel mehr Männer wie ich kennen (ist ja keine Kunst beim Vergleich mit mir). Sie hat da wirklich keine Probleme und die Männer sprechen auch ihr Interesse aus. Ich merke da keinen Unterschied, ob ich nun wirklich mollig oder halt einfach etwas molliger war, wie jetzt. Und ich weiss, wovon ich spreche - denn es liegen dazwischen teilweise mehr wie 40 Kilo mehr auf den Hüften dazwischen. Dann eine Zeit mit 20 Kilo mehr und meiner aktuellen Gewichtsklasse. Sie wusste sofort, was ich meinte und verbot mir, zu Hause zu bleiben. Ich solle den Abend geniessen und basta. So auch Pupa.

Und doch sitze ich hier und denke mir... dass ich zwei Optionen habe. Zu Hause bleiben und es bereuen oder mitzugehen und es unter Umständen auch zu bereuen. Vor allem weiss ich nicht, ob es aktuell schlau ist, noch mehr Zeit mit Mr. Flirty zu verbringen. Auf der anderen Seite wäre die hübsche, blonde Kollegin nicht dabei und vielleicht ist er da auch einfach etwas anders. Dann favorisiert er einfach eine andere ;-). Nein, ich weiss, es geht ja nicht darum. Aber vielleicht kann man in einer kleinen, kompakten Gruppe doch noch ein wenig mehr übereinander erfahren. Und doch kommen da auch wieder Stimmen, welche meinen, dass die Vierergruppe doch super aufgehen würde, was soll ich da doch noch daran teilnehmen. Alles müde Entschuldigen, ich weiss. 

Was, wenn der Abend ganz anders ausgeht, wie befürchtet? Dann habe ich einmal mehr die Erfahrung gemacht, dass meine Glaubenssätze teilweise doch Hirngespinste sind und kein Mensch darum bemüht wäre, meine Anwesenheit dabei zu haben, wenn er es eigentlich nicht möchte. Und dass die Menschen sich wirklich darüber freuen, Zeit mit mir zu verbringen. Und das macht mir wahrscheinlich Angst.

Was, wenn meine Befürchtungen sich erfüllen und ich dann wieder mit all diesen Grübeleien und Selbstzweifeln und diesem Selbsthass bis hin zu den Existenzweifel zu kämpfen habe? Ach, es ist einfach schwierig.

Nach dem Besuch meiner Coiffeuse war ich eigentlich für die Teilnahme. Fuhr nach Hause und ja, kochte etwas nach, was Mr. Flirty mal vorgeschlagen hatte für einen Bachelorette-Abend. So kam dann doch eine Antwort von ihm und ich fuhr mit dem Bike los. In den Nachbarskanton und irgendwie auch an meinem früheren Geschäft vorbei. Wusste, dass es dort einen Trinkbrunnen gibt und klopfte dann auch am Fenster der einten Dame von weiter oben. Sie kam heraus und strahlte über das ganze Gesicht, wollte mich in den Arm nehmen. Ich meinte schnell zu ihr, dass ich total verschwitzt sei und sie winkte ab. Ich meinte nachdrücklich: "Wükki, ich bin klatschnass!" Sie meinte nur, dass sie mich umarmen wolle und basta. Und tat es dann auch. Ich war baff. Und sie meinte dann: "Und morn bisch debi, gell?! Hend mer so xeit und abgmacht." Ich lachte nur. Und dann erzählte sie mir etwas. Nach dem Mittagessen am Donnerstag waren sie, die andere Dame, Mr. Flirty und der gewisse Mitarbeiter wieder zum Geschäft gefahren. Auf dem Parkplatz vor dem alten Geschäft meinte die andere Dame, dass ihr drei Hosen zu gross seien zu Hause und zupfelte bzw. zog die ihrige hoch. Mr. Flirty hatte sich daraufhin neben der Erzählen gestellt und etwas à la "das würsch du auch gern mal sege chönne, gell" gesagt. Bäng. Ich stand da und dachte mir meinen Teil. Der Laden ging runter. Die Erzählerin merkte es, lachte auf und winkte sofort weiter ab. Dass sie nicht gelacht und ihn lediglich angeschaut hätte. Und es ganz klar sichtbar gewesen sei, dass es ein total unüberlegter Satz seinerseits gewesen sei. Man hätte es seinem Blick angesehen, wie es zu rattern begonnen hätte. Und diese Erzählerin ist ebenfalls schlank. Anscheinend hatte sie heute Morgen Blumen auf ihrem Schreibtisch gehabt. Es scheint ihm wirklich unangenehm und der Spruch unüberlegt zu sein. Und doch...

... ich meinte zu ihr, dass ich es mir also noch einmal überlegen würde. Das ich persönlich kein Problem mit meinem Gewicht hätte und es auch nicht in der Gruppe als solches empfinden würde, aber natürlich der Hintergedanke bei mir vorhanden sei. Und ich weiss nicht, ob sie es weitergeleitet hat. Aber ich fuhr nach Hause und merkte, dass das Biken die beste Ablenkung ist. Zu Beginn war da noch der Gedanke daran, dass in meinen Augen nichts einfach so passiert. Es hatte seinen Grund, warum ich noch dorthin gefahren und an ihrem Fenster geklopft und von dieser Geschichte erfahren habe. Auf der anderen Seite ist Mr. Flirty teilweise wirklich ein wenig verpeilt und in gewissen Belangen bzw. Sprüchen nicht wirklich "die hellste Kerze auf der Torte" (ganz ehrlich liebevoll gemeint in diesem Zusammenhang).

Zu Hause angelangt antwortete ich Mr. Flirty dann noch und er schrieb erneut zurück. Erstaunte mich und ich machte einen Spruch. Ich weiss nicht, ob ich es erwartet habe oder erhofft... aber er hat nachgefragt, ob ich nun doch mitkommen würde. Und das er mitbekommen hätte, ja. Und nun weiss ich nicht, ob er heute Nachmittag halt von der Erzählerin nach meinem Besuch mehr erfahren hat. 

Ändert nichts daran, dass ich nach wie vor unsicher bin, ob ich nun daran teilnehmen soll oder doch nicht. Es ist schon krass, wie man sich selbst im Weg stehen kann. Und egal, wie ich mich entscheide. Wenn es schlecht rauskommt, habe ich mich in meinen Augen einfach übel schlimm entschieden und werde dementsprechend Kämpfe mit mir ausfechten. Und darauf habe ich keine Lust. Vor allem nicht, wenn es während der Unternehmung ist. Denn da kann ich mich innerlich so extrem zurückziehen, dass ich nur noch körperlich anwesend bin. Der Rest ist einfach weg. Und kämpft gegen sich selbst.

Ich weiss tief in mir, dass nicht die Gruppe ein Problem damit hat, mit mir gesehen zu werden. Sie waren ja auch in der Badi mit mir und auch die Männer stehen in der Öffentlichkeit neben mir - Mr. Flirty ist da ja sogar so nahe neben mir geloffen, dass sich unsere Oberarme immer berührt haben. Und auch sonst kennt er keine Berührungsängste. Und ja, sie sitzen wohl auch ohne jeden Gedanken in dieses Restaurant mit mir. Es liegt wohl wirklich an mir selbst. Anstrengend das alles.

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