Montag, 29. Juni 2015

wohltuende auszeit

Ich merke einfach wieder, wie ich mich allgemein auf meine Auszeit freue. Es ist nicht persönlich gegen jemanden gerichtet, aber ich denke schon, dass „Menschen wie ich“ einfach noch bewusster ihre Auszeiten einsetzen müssen. Und gestern erst ist mir ein Gedanke durch den Kopf geschossen: wenn die letzten harte Jahre dazu geführt haben, dass ich mir diese Auszeit unter anderem leisten kann, dann habe ich schon einmal mehr etwas Positives miterleben dürfen. Einen Grund mehr gefunden, wofür sich das Kämpfen lohnt :-).

Die letzten Monate - vielleicht sogar zwei Jahre - waren rückblickend eine sehr schwierige Zeit für mich. Viele neue Erfahrungen, viele neue Situationen und ja, man darf nicht vergessen, dass ich mich zwar in Therapie begeben, aber praktisch nie mit der Praxis konfrontiert worden bin. Man denkt immer, die harte Zeit ist, sobald man sich für den Weg entscheidet, Hilfe zu holen. Dem ist aber nicht so. Ich habe mich vor allem zu Beginn sehr geborgen gefühlt. Einfach mal fallen lassen können, dem Druck entkommen, Stress abbauen. Diese Hilfe annehmen und akzeptieren zu können, dass man eben diese braucht, benötigt danach auch wieder ihre Zeit.

Theoretisch war ich immer gut dabei. Aber wie alles anwenden, wenn ich keinen Job hatte, das Zwischenmenschliche einfach immer weniger wurde und joa, man möchte auch nicht mit allen über diese Sache sprechen. So richtig anstrengend ist erst die Zeit, wenn man wieder im Alltag angekommen ist. Und dies ist bei mir die letzten drei Jahre nicht ohne gewesen und ich habe lange gebraucht, mir das einzugestehen. Und vor allem bin ich ja eher diejenige, welche von sich selbst abverlangt, stark zu bleiben, die Zähne zusammen zu beissen und „es“ durchzuziehen. Aber rückblickend muss ich wirklich sagen, war es das letzte halbe Jahr wirklich eher sehr anstrengend.

Und mittlerweile freue ich mich auf mein Abenteuer. Auch in Thema Männer bin ich froh, wieder ein wenig Abstand zu gewinnen. Ich weiss nicht, ob ich mir selbst da im Weg stehe oder ob es Tatsache ist und ich einfach nicht die richtigen Zeichen sehe. Ich selbst stehe mir im Weg mit meinen Glaubenssätzen, einen Mann kennen zu lernen. Andererseits fokussiere ich mich vielleicht auch zu fest auf mein direktes Umfeld. Und andererseits darf man es mir auch nicht verübeln, deute ich vielleicht Zeichen schnell falsch - wie soll jemand Auto fahren lernen, wenn er noch nie am Steuer sitzen durfte? Eben.

Die letzte Zeit mit dem gewissen Mitarbeiter war wieder sehr intensiv. Und ich weiss nicht, ob ich das kollegiale schnell überbewerte oder ob er selbst sich keinen Kopf darüber macht. Aber seit er seine Freundin verlassen hat (oder umgekehrt, wer weiss das schon), ist er schon wieder eher zugänglicher geworden.

Ich habe ihn nie direkt auf seine Freundin angesprochen - hat mich nicht interessiert. Aber vom Hören her weiss ich, dass sie angeblich nicht "die einfachste" gewesen ist. Anscheinend viele Probleme mit sich selbst. Na klar haben da bei mir die Alarmglocken geschrillt. Ich selbst denke immer, dass jeder Mensch anders ist und jeder auf seine Art und Weise eine Chance verdient hat. Aber denken das auch andere so? Was, wenn es für ihn so eine schreckliche Erfahrung war, dass er nun sagt, sich nie wieder mit einer Frau einzulassen, welche auch Probleme mit sich bringt? Aber auch da denke ich mir, ist jeder wieder anders. Ich selbst weiss ja, dass ich Probleme mit mir selbst habe, diesem aber hier Luft lasse und meine Mitmenschen nicht damit belaste. Klar, ab und zu gibt es sehr intensive und schwere Gespräche, aber auch da merke ich, kann ich es ganz gut handeln. Ich übe gar keinen Druck auf andere aus, wie ich immer meine, wenn ich mit Teilen meiner Lebensgeschichte um die Ecke komme. Aber doch macht man sich dabei so seine Gedanken, wenn man davon hört.

Es ist nun alles gut drei, vier Wochen her - aber ich möchte es doch noch kurz verarbeiten. Und vielleicht ist es gerade gut, habe ich kaum Zeit, um diese Zeilen zu verfassen. Nicht mehr gross darüber grübeln. Tippen, veröffentlichen, Auszeit. Es wird schon alles kommen, wie es muss.

Wir hatten ja einen Jass-Event. Ich war sonst schon nervös und ja, ich jasse ja erst, seit ich in diesem Geschäft mit dabei bin. Also nicht wirklich gut, aber habe doch meine guten Momente mit Glück. Wie es kommen musste, war ich mit dem gewissen Mitarbeiter im Team. Ja, ich kann nichts dagegen tun, bei mir machte sich sofort ein schlechtes Gefühl breit. Ich dachte mir, der arme Kerl, wer möchte schon mit mir ein Team bilden. Aber er gab sich sportlich und wir schlugen also ein HighFive ein. Wie es kommen musste, sass der Mann der Gastgeberin direkt neben mir. Und ich weiss, es gibt sehr fanatische Jasser unter uns, aber der war einfach eine Nummer zu viel. Von der Person her ganz ein flotter, lustiger Typ, da habe ich nichts auszusetzen, ehrlich! Aber er sass da und wusste jede Runde und am Schluss sagte er jedem, was er wann wie und wo spielen hätte müssen. Und natürlich sah er auch meine Karten. Er sagte zwar nichts, aber am Schluss kamen dann doch Tips, welche mich nur noch mehr verunsicherten. Und mit der Zeit bemerkte ich einfach, dass er auch nonverbal kommunizierte. Ich bin da wirklich eher sensibel und somit merkte ich auch plötzlich seine körperlichen Veränderungen, Räuspern und weiss ich was. Mir ging der Laden runter. Dann bin ich total verunsichert und es geht gar nichts mehr. Und als der gewisse Mitarbeiter dann auch noch meinte, dass ich nie mit meinen Augen mit ihm kommunizieren und er meine Karten somit nicht einschätzen könnte, war schon alles vorbei. Ich verkroch mich noch weiter in mich selbst und wurde immer unsicherer.

Als wir die Plätze wechselten, wurde es ein wenig besser, aber wir verloren natürlich das Turnier. Ich fuhr nach Hause und schämte mich in Grund und Boden. Die Nacht war schlimm, ich schlief kaum und hatte Alpträume. Es waren vielleicht drei Stunden an Schlaf.

Ich weiss auch nicht, was mich geritten hat, aber ich wollte mich entschuldigen. Warum auch immer?, denke ich mir im Nachhinein. Warum mache ich mir darüber wieder Gedanken. Aber im Nachhinein vielleicht gar keine so schlechte Idee, ich habe das Gefühl, dass sich viele Verspannungen zwischen und (ich meine, man spürt doch, dass es vielleicht teilweise ein wenig "harzig" läuft) ein wenig gelöst.

Ich kaufte ihm zwei Getränke, die er mag und über die wir schon ein paar Insiderwitze untereinander ausgetauscht haben. Am Freitagmorgen ging ich zu ihm runter, stand neben seinem Schreibtisch und stellte beide Dosen ab. Dabei zitterte ich total, lief wahrscheinlich knallrot an und stotterte etwas von "Verunsichert, Laden runter, unwohl gefühlt, sorry". Er schaute mich mit grossen Augen an und meinte, dass dies doch nicht nötig gewesen sei und er es total verstehen würde! Und ja, man hätte gemerkt, dass ich mich unwohl gefühlt hätte mit der Zeit und auch die Gründe dafür hatte er begriffen, aber das das doch total verständlich sei! Richtig toll fühlte ich mich, nachdem er gemeint hätte, dass wir es beim nächsten Mal allen zeigen würden. Tja, und dann stand er plötzlich auf und meinte: "Ach zambrottagirlie, komm mal her und lass dich knuddeln!" und UMARMTE mich! Ich stand perplex da. Es ging gar nichts mehr. Ich spürte nur seinen Körper an meinem, wie ich über sein Schulterblatt strich und wir uns bestimmt drei Sekunden (oder fünf?) in den Armen lagen. Er seine Wangen an meiner Schulter (nicht zum Nacken hin schauend) abgelegt. Es hat mir den Boden unter den Füssen weggenommen.

Es hat sich toll angefühlt, ja. Aber gleichzeitig war ich total perplex. Dann kam mir der Gedanke, dass er mein Profilbild auf WhatsApp vielleicht gesehen hat. Jetzt sind Shirts mit dem Aufdruck "Big Girls Cuddle Better" sehr bekannt in Amerika und ich habe da einen tollen Typen einfach mal frech als Profilbild auserwählt. Man sieht, dass es eine Werbung ist :-). Und er hat ja das Wort "Knuddeln" verwendet. Ausser, es sind wieder dumme Zufälle und es war nicht beabsichtigt.

Aber es gab noch etwas sehr Zufälliges. Ich habe eine Zeit lang an allem gezweifelt und dies auch als Status eingetragen. Und seine Statusänderung danach passt irgendwie wie die Faust aufs Auge darauf und hat mir doch die Augen geöffnet.

Aber eben, vielleicht alles einfach "dumme" Zufälle.

Nach der Umarmung versuchte ich mich natürlich selbst runterzuholen und nicht viel zu viel da reinzuinterpretieren. Aber es gab doch noch ein paar Momente, wo ich das Gefühl hatte, ein wenig Eifersucht zu spüren. Vor allem mit seinem Vorgesetzten habe ich es immer besser und der öffnet sich auch enorm. Wir machen viele Witze miteinander und auch letztens stand ich am Schreibtisch seines Vorgesetzten und fragte ihn nach seinen Ferien aus. Als er meinte, er sei in Italien gewesen und ich seine Entscheidung natürlich grandios lobte, stand er neben mir, gab mir ein Foto und die Aufgabe, ihn aus der Menschenmasse zu finden. Dabei kam er mir mit seinem rechten Oberarm ganz nah an meinen linken Oberarm. Und ja, da kamen schon ein paar "Vibes" vom gewissen Mitarbeiter gegenüber in meine Richtung geflogen. 

Auch sonst hat er in letzter Zeit oft meine Kleidung kommentiert oder letztens ist ihm sogar aufgefallen, dass mein vierter Zehennagel immer in einer anderen Farbe lackiert ist, wie die restlichen vier. Sehr aufmerksam. Und auch sonst finde ich, hört er vieles, von dem, was ich sage und geht darauf ein. Mal mehr, mal gar nicht - aber da geht er irgendwann später mal darauf ein und hat mir dann doch zugehört, wie sich später herausstellt.

Es gab dann noch einen Sonntag, an dem ich arbeiten musste. Am Freitag davor war ich mit ein paar Mitarbeiterinnen im Kino gewesen. Ich hatte es ihm und seinem Vorgesetzten an diesem Freitag erzählt, da eine Mitarbeiterin der Herren auch mit von der Partie war. Am Sonntag kam ich also zur Arbeit und eine andere Dame war auch im Hause, welche auch an diesem Kinoabend mit dabei war. Ich ging hoch in mein Büro, startete die PC's und er kam auch. Ich ging mit den Sandwiches in den Aufenthaltsraum und er meinte, ob er mir helfen könne? Ich verneinte und liess die Tür offen. Plötzlich kam die Mitarbeiterin, welche auch am Kinoabend dabei war, und wir begannen zu plaudern. Es ging nicht lange und er stand auch bei uns und fragte uns, wie der Film gewesen sei. Naja, es ist wegen der hübschen Mitarbeiterin, ging mir sofort in den Kopf.

Und doch verlief der Morgen dann ganz anders. Wir mussten Vorarbeit leisten und viele Couverts öffnen und mit einem Datumstempel versehen. Er sass zuerst am Tisch bei den drei anderen, unter anderem auch die oben genannte Mitarbeiterin. Er meinte dann plötzlich, dass ich ihm seinen Platz weggeschnappt hätte. Ich entschuldigte mich und meinte, ob wir tauschen wollen, was er verneinte. Und doch meinte er plötzlich: "Ich sitze mal zu zambrottagirlie rüber". Und dann ging es los mit den zufälligen Berührungen, Seine Hände beim Stempel, wenn ich gerade wollte, Oberarmstupser an meinen Oberarmen und das "Touchieren" unserer Stühle. Ich dachte mir nichts dabei und irgendwie doch, dass er so etwas nie tun würde, wenn ihm die andere Mitarbeiterin gefallen würde. Da würde er ja ein Eigentor schiessen.

Es ging ein paar Mal so weiter und ich wollte es doch einfach nicht an mich heranlassen. Wobei ich es natürlich genossen und dann auch eine Neckerei gestartet habe ab und zu.

Ich meine, es ist mir auch schon aufgefallen, dass er keine Berührungsängste mit anderen Mitarbeiterinnen hat. Und doch ist es immer noch ein grosser Unterschied zu mir, finde ich. Und ich bin wieder an dem Punkt vor einem Jahr und mehr, wo es einfach nicht mehr ging und ich nicht wusste, wie mit ihm und allem umgehen. Vor allem, wenn ich nicht einmal weiss, was ich will und Männer sind halt ein schwieriges Thema für mich. Da verschliesst sich jegliche Pore und gegen Aussen habe ich es mittlerweile gut im Griff, aber innerlich wird so viel aktiviert. Vor allem diese Unsicherheit, die Selbstzweifel und dieser Selbsthass. Und ganz schlimm der Gedanke, mich keinem Mann zumuten zu wollen, wobei ich natürlich weiss, dass ich nicht schlimm bin und es gut handhaben kann mitlerweile das alles. Aber dann kommt mein Handicap und es geht gar nichts mehr.

Am Freitag war ich noch im Büro des gewissen Mitarbeiters, seines Vorgesetzten und einer Mitarbeiterin von ihnen. Sie arbeitet nur halbtags und ich wollte mich von ihr verabschieden. Der Vorgesetzte und die Mitarbeiterin waren auch schon beide in Vancouver und so begann ich, die Bilder von ihnen zu fotografieren und meinte, dass ich mal schaue, ob ich die Plätze finde und aktuelle Bilder ihnen zuschicke. Also lief ich von einem zu anderen und plötzlich meinte der gewisse Mitarbeiter neben mir: "Wotsch fu mir au gad no es Föteli mache?" Ich lachte auf und hätte es eigentlich einfach machen sollen. Oder ein Selfie von uns zwei. Aber ich traute mich natürlich nicht. Meinte nur scherzhaft, dass ich doch von der ganzen Abteilung eines machen könnte. Aber das liess ich dann sein.

Am Nachmittag kam er zu meinem Chef und ich hatte gesehen, dass er früher vom Geschäft gehen musste. Er meinte nur, ob ich meinen Rundgang schon gemacht hätte und ich verneinte. Er meinte nur, damit wir uns ja nicht verpassen würden. Für den nächsten Jassevent hat er nämlich auch extra vor meiner Abreise eine Umfrage gestartet, weil ich dann lange weg sei und er gerne doch noch alles geplant haben wollte, bevor ich weg bin. Und ja, das ist bei mir natürlich runter wie Öl gegangen, ich habe mich so wohl und wertgeschätzt gefühlt.

Ich ging dann zu den Jungs und hatte genau da eine Hitzewelle. Sie nahmen mich noch ein wenig hoch, wir plauderten ein wenig und da sprang auch schon die Mitarbeiterin (von weiter oben) ins Büro und meinte, dass sie ihre LAP bestanden hätte. Die Jungs schüttelten ihr die Hand, ich knuddelte sie fest. Dann stand ich auf und der gewisse Mitarbeiter nannte meinen Namen, öffnete seine Arme und ich vergass alles um mich herum. Ich umarmte ihn einfach fest und fuhr ihm über seine Schulter. Keine Ahnung, ob er nur drei Küsschen geben wollte, aber er liess es zu. Er drückte mich an sich und gab mir drei Wangenküsse, ich fuhr ihm den Oberarm herunter und wünschte ihm alles gute. Dabei spürte ich seinen Oberkörper noch nahe an meinem. Seinem Vorgesetzten gab ich auch einen leichten Drücken und drei Wangenküsse - aber nie so intensiv, wie es sich beim gewissen Mitarbeiter angefühlt hatte. Keine Ahnung, ob der baff gewesen war, aber für mich stimmte es einfach in diesem Moment.

Auch sonst habe ich oft das Gefühl, glänzen seine Augen, wenn er mich sieht. Und ja, es lässt mich wichtig erscheinen und es tut der Seele gut. Und doch habe ich Angst, dass ich wieder für jemanden Springe, sobald ich wieder ein wenig "von der Person gestreichelt und wahrgenommen werde". Und das möchte ich nicht. Denn eigentlich tut es schon weh, wenn sich ein Mensch andersweitig umschaut und man doch das Gefühl hat, es wäre was zwischen uns.

Aber eben, meine Auszeit tut mir jetzt gut. Klaren Kopf. Abstand. Nach Hause kommen und weiterschauen.

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