Donnerstag, 4. Juni 2015

wozu das alles?

Leider bin ich wieder einmal an einen Punkt gelangt, an dem ich wirklich hinterfrage, was mein Sinn und meine Lebensaufgabe auf dieser Welt sind. Und bevor ich mich wieder rechtfertigen und konfrontiert sehen muss mit Antworten, welche einfach nicht verstehen, was ist und rücksichtslos sind: ich weiss, dass es Menschen gibt, welche es schlimmer haben, wie ich. Aber es gibt auch andere, welche ein Leben geniessen können. Und es ist immer noch ein Unterschied, ob man selbstverschuldet oder unschuldig leidet (leiden muss). Und ich habe es mir einfach nicht ausgesucht.

Letztens habe ich einen Eintrag von seastorm gelesen und ich kann ihr so nachfühlen. Wollte ihr ein paar nette Zeilen schreiben, war dann aber doch verunsichert. Ich kann sie, ihre Ängste, ihr Gefühl und Gedanken verstehen. Blind. Ich könnte sie ergänzen, ohne, dass sie überhaupt in die Mitte eines Satzes kommen würde. Weil ich ganz genau nachempfinden kann, was in ihr vorgeht.

Aber ich hatte Angst und ein wenig Scham. Man weiss leider nie, wie ein anderer Mensch auf Worte reagiert. Tief im Innern weiss ich natürlich, dass ich bei Seastorm oder Serendipity keine Angst haben muss, wir lesen schon so lange voneinander. Ich möchte nur nicht, dass man meint, ich würde mein Schicksal auf andere Schicksale rüberstülpen. Nur, weil ich etwas Ähnliches durchgemacht habe, muss es nicht heissen, dass es sich hundertprozentig gleich mit einem anderen Lebensweg abdeckt.

Aber ich kann nachempfinden, nachspüren und nachverstehen. Und ich denke, das ist einfach so etwas wertvolles. Nur sprechen wenige gerne darüber. Und nur wenige, mussten es auch wirklich nachLEBEN.

Wobei dann schlussendlich doch die Frage bleibt, ob Menschen auch wirklich einen Rat wollen. Meist fühlen sich diese ja auch hilflos bzw. nicht jedem Mensch hilft das Gleiche.

Gestern habe ich erfahren, dass ich nach meiner Amerikarückkehr wieder auf 60 % runtergestuft werde. Ich war nun bald neun Monate für 80 % angestellt. Wir hatten Mehrarbeit, ich übernahm ein neues Projekt und auch sonst gab es viele Turbulenzen und Wechsel (auch in der Führungsebene), welche uns vor der Aufstockung meines Pensums noch nicht bekannt waren.

Ich weiss, ich möchte nach Amerika. Mir ist bewusst, werde ich dann keinen roten Rappen verdienen. Mir ist bewusst, komme ich zurück und habe nur einen halben Monatslohn zur Verfügung. Und dann noch die Hälfte von einem 60 %-Lohn, was nicht viel ist. Von der Lohnabteilung ist mir ans Herz gelegt worden, dass ich die Pensionskassenbeiträge weiterhin einzahlen soll, wodurch ich dann natürlich auch die vom Arbeitgeber für diese Zeit übernehmen müsste. Das heisst, dass ich doppelt so viele PK-Beiträge einzahle, wie üblich. Und das dies für zwei Monate einen ordentlichen Batzen bedeutet, welcher mit meinem halben Septemberlohn ausgeglichen wird. Wenn dann noch etwas übrig bleibt. Pf, dann arbeite ich ja für lau. Schande das.

Ich könnte es mit den PK-Beiträgen auch sein lassen. Aber anscheinend stehen mir dann keine Leistungen zu im Falle eines Schadens. Und so, wie ich mein Glück kenne, möchte ich es nicht herausfordern. Es würde garantiert etwas passieren. Bei meinem Lebensgang bis anhin, grauenhaft.

Meine Chefin - eigentlich ist sie ja jetzt die stellvertretende Chefin - hat mich gestern darüber informiert. Und innerlich ging ich an die Decke und hätte aufschreien können, liess es dann aber sein. Sonst heisst es mal wieder etwas. Ich werde es sacken lassen und am Mitarbeitergespräch erwähnen.

Mir ist klar, bin ich mit 60 % angestellt worden. Aber ich sehe auch, was intern alles abläuft, wo es überall brennt und was wir die letzten Monate alles schaffen mussten. Überall klappt es mit der Aufstockung, aber mein Bedürfnis wird anscheinend als nicht wichtig eingestuft. Sie meinte gestern zu mir, dass es doch noch spezifisch bezogen sein müsste unter den Abteilungen. Erst dann wäre eine Aufstockung bei einer Abteilung für den Einsatz in einer anderen Abteilung am logischsten.

Ich grunzte innerlich auf. Ihrer Meinung nach ist unsere Abteilung mit keiner anderen zu vergleichen, was heisst,  dass ich in keiner spezifisch an unserer Abteilung angelehnter Abteilung jemals aushelfen könnte.

Dabei weiss ich, dass intern einige aufstocken können. Und richtig schlimm finde ich, hat sich eine Lehrabgängerin bei uns vor ein paar Monaten für eine 80 % Stelle beworben und nachgefragt, ob auch 100 % gehen würden und die Antwort lautete nein (Budgetbedingt). Und nun darf diejenige, welche diesen Job für 80 % angetreten hat, doch aufstocken? Das geht problemlos? Ich dachte, ich spinne, als ich dies gehört hatte.

Mir ist einfach bewusst geworden, dass es für sie so oder so stimmt. Solange es bei ihr aufgeht. Sie hat eigentlich eine Stelle übernommen, bei der die Vorgängerin zu 60 % angestellt war. Aber sie darf bei ihren 80 %. Da geht es problemlos.

Ich hatte gestern echt solche Herzschmerzen, weil es mich so erschreckt und mitgenommen hat. Es scheint so, als wäre ich für die Mehrarbeit der letzten Monate gerade gut genug gewesen und nun danke, Arschtritt und tschüss. Ich musste wirklich aufpassen, dass ich es nicht auf meine eigene Leistung bezog. Denn trotz allen Schwierigkeiten schaffte ich 80 % problemlos. Mal besser, mal weniger gut. Aber dann habe ich einfach meine Gleitzeit eingezogen und mal wieder einen Nachmittag frei genommen.

Ihre Aussage, sie könne keine Stellenprozente schaffen, wo nichts sei, nervte mich nur noch. Dabei grinste sie verschämt zu Boden und ich dachte mir nur: „Jaja. Überall klappt es, nur nicht bei meiner Wenigkeit. Und am Besten klappt es bei dir“.

Ich muss nicht gross erwähnen, wie schlimm meine letzte Nacht war? Ich habe schlussendlich zwei Temesta genommen und fand doch keinen Schlaf. Weinte, heulte, brodelte und verzweifelte innerlich. Haderte mit mir und meinem Schicksal, fragte mich, wozu ich das verdient habe und habe es bis heute einfach nur SATT.

Was habe ich verbrochen? Muss ich wirklich wieder in einer Klapse landen? Ich bin wirklich kurz davor, alle Zelte abzubrechen, Amerika abzusagen und einfach nur nach Italien abzuhauen. Oder künde, gehe ins Ausland, suche mir eine Stelle und werde dort glücklich. Vielleicht würde es einfach endlich ein paar Menschen auftrütteln. Ich habe wirklich keine Lust mehr auf all diesen Scheiss hier.

Mein Gspänli hat es gestern nicht mitbekommen - sie arbeitet 80 %. Aber sie hat auch schon einmal gemeint, dass es unmöglich gehe, mich abzustocken. Sie brauche mich und meine Leistung doch! Innerlich musste ich den Kopf schütteln. Als würde sie sich getrauen, dies an einem Mitarbeitergespräch oder einer Teambesprechung zu äussern.

Was ich nun mache? Was bleibt mir anderes übrig, als alles zu akzeptieren? Ich notiere mir einfach alles und werde es irgendwann an einem Mitarbeitergespräch sagen. Oder ich platze davor. Oder ich entscheide mich, einfach in Amerika zu bleiben oder nach Amerika weiter nach Italien abzuhauen.

Wären da nicht die Geldsorgen, welche mich jetzt schon plagen, bevor ich überhaupt Amerika geniessen konnte. Aber ich komme zurück und bin mich Rückzahlungen konfrontiert. Anscheinend ist mir eine Rente weiterhin bezahlt worden, obwohl ab August letzten Jahres damit hätte Schluss sein sollen. Ich habe es nicht auf meinen Bankbezügen gesehen, weil ich sie nicht mehr angeschaut habe. Weil ich so viel mit meiner Karte eingekauft und mich geschämt habe, damit konfrontiert zu werden. Weil ich nichts davon wissen wollte. Ich habe diese Bankcouverts einfach nur geöffnet und abgelegt.

Wer zahlt nun doch? Natürlich ich. Obwohl ich nichts dafür kann, dass diese die Zahlung nicht rechtzeitig gestoppt haben. Es kackt mich wirklich langsam so etwas von an. Bis jetzt musste ich überall etliche „Beweise“ bringen, um bestätigen zu lassen, dass ich wirklich nicht ganz gaga bin. Gutachten über Gutachten, hier und da rennen, mich kooperativ zeigen. Aber wenn es um eine Rückzahlung geht, muss es erst recht schnell gehen. Und es sind keine kleinen Beträge, welche ich mit einem Minilohn und unbezahlten Urlaub bezahlen muss. Scheiss echt. Sorry, aber dieses Fluchwort musste raus.

Und ich auch. Ich breche aus. Explodiere langsam richtig.

Oder lande wieder ganz tief.

Oder unter die Erde. Sorry, war jetzt sehr heftig. Aber anders fühlt es sich im Moment halt einfach nicht an, wie so.

Ich persönlich vermute immer noch, möchte mir meine Chefin eines für meinen Ubezahlten auswischen. Das passt ihr nicht in den Kram. Wie, dass ich meine Ferientage bis zu einem bestimmten Tag bezogen haben muss. Sie aber hat ihre 3 Monate anscheinend mit jahrelang angehäuften Ferientagen und Gleitzeit bezogen. Aha, das geht dann ganz plötzlich irgendwie doch? Bei den richtigen Leuten anscheinend schon.

Nur noch zum Kopf schütteln.

Was ich mir aktuell gerade Wünsche? Eine innige, ernst gemeinte Umarmung. Ohne, dass ich darum betteln muss. Ohne, dass jemand Mitleid hat. Einfach eine Umarmung, welche von der Person gegenüber kommt. Und ehrlich gemeint ist. Eine tolle Schulter zum anlehnen.

Ich weiss, ich kann nichts dafür. Ich weiss, dass ich es mir nicht ausgesucht habe. Ich weiss, dass es schlau war, „nur“ mit 60 Prozent eine Stelle anzutreten. Nach jahrelangen befristeten Einsätzen und Zusammenbruch. Danach zwei Jahre Arbeitslosigkeit, trotz sehr guter Ausbildung. Lieber langsam anfangen und dann steigern, wie mit hoher Anstellung eine Stelle antreten und „wieder“ nach kurzer Zeit versargen. Ich weiss, dass ich es gemeistert habe und niemandem gegenüber ein schlechtes Gewissen haben muss. Weil ich immer dran geblieben bin und gekämpft habe. Wenn ich zu Hause war, habe ich alles übernommen, alle entlastet. So auch jetzt noch.

Und doch: ich wollte eigentlich mit meinem erhöhten Pensum ausziehen bzw. zumindest mal soviel zusammensparen, dass ich spätestens 2017 ausziehen kann. Ich will ich keine WG mit fremden Menschen. Das käme nicht gut. Ich brauche Menschen, welche mich kennen. Oder meine Ruhe.

Ja, ich hasse es, hier zu sitzen und in einem E-Mail darüber zu lesen, dass meine ehemalige Lehrtochter mit 22 eine eigene Wohnung sucht und nun nur noch auf eine Rückmeldung warten muss. Ich weiss, ich habe ein anderes Leben geführt und ich weiss, habe ich nie richtig Geld auf die Seite legen können, geschweige denn ein paar Jahre nacheinander in einem hohen Pensum arbeiten. Ich weiss, ich kann nichts dafür.

Aber fühle mich trotzdem verdammt mies, wenn ich mich mit anderen vergleiche. Vor allem ungefragt vielem beraubt.

Es bringt nichts – die Spirale dreht sich wieder unaufhörlich. Ich stoppe sie jetzt hier. Nehme auch heute wieder zwei Temesta (ich weiss, ist nicht gut) und liege nur noch ins Bett. Möchte vergessen. Traumlos schlafen. Nur schwarz um mich herum wahrnehmen und morgen die Augen öffnen und den ganzen Tag gerädert sein. Meine Bestrafung. Heute bin ich kaum aus dem Bett gekommen und bin eher herumgetorkelt, wie gelaufen. Gehe früh zu Bett. In der Hoffnung, früher einschlafen und den Tag besser überstehen zu können. Zum Glück war „mein“ Team an einer Tagung und ich die meiste Zeit allein. Von Heulkrämpfen überschüttet. Und das in der Öffentlichkeit. Ich weine wirklich kaum bis nie. Eigentlich nur dann, wenn ich an Grossdäddi denken muss oder wenn ich abends im Bett liege und meine schwachen zwei Minuten habe. Irgendwann hat man einfach keine Tränen mehr.

Uff, ist mal wieder durch mit mir. Ich entschuldige mich dafür - aber es beschäftigt mich und muss irgendwie raus. Diese Wut, diese Verzweiflung, diese Hoffnungslosigkeit und diese Kraftlosigkeit. Und ja, ich habe gestern und heute dagegen angekämpft, mein Zusammenbruch kam erst, als ich am Abend im Bett lag. Aber morgen Abend ist mir alles scheissegal: Amerika, Geld und weiss ich was. Ich kann eh nicht anders. Ich gehe Einkaufen.

Und halte mich von spitzen Gegenständen fern. Denn ich habe wirklich Angst bzw. befürchte ehrlich, dass mein Selbsthass (ich weiss, eigentlich kann ich nichts dafür und meine Wut müsste sich gegen alles andere richten) sich gegen mich erst recht entfaltet, wenn ich diese Wut gegen mich selbst ausrichte (sprich: Selbstverletzung). In meinem Kopf muss ich mich bestrafen. Und das tue ich mit Fressen, Einkaufen und schneiden. Ich muss mich bestrafen. Für mein Dasein. Für mein Ich. Für mein Leben. Für all das, wofür ich eigentlich nichts kann.

Ach, zambrottagirlie wird das schon wuppen, die ist stark. Ja, ich weiss. Ich werde mich wahrscheinlich zusammenreissen und vielleicht das einte oder andere schaffen. Nicht zu sehr ausrasten beim Einkaufen. Kein schneiden. Und Fast Food bestellen, aber alles wieder in den Griff kriegen. Irgendwann einmal. Vielleicht schon übermorgen. Es ist mir einfach grad zu viel.

2 Kommentare:

  1. ich denke oft an dich, wenn ich gewisse zeilen schreibe, weil ich ähnliches bei dir schon gelesen habe. ich kann mir sehr gut vorstellen, dass du ganz vieles gut nachvollziehen kannst, was ich erlebe oder denke. so geht es auch mir oft, wenn ich bei dir lese.
    und ich verstehe dich so gut mit dieser umarmung, die du dir wünschst... du musst wirklich viel kämpfen, ich hoffe, du wirst auch wieder mal dafür belohnt...

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    1. Danke für deine lieben Worte, es hat sehr gut getan. Vor allem, weil ich wirklich mit dir mitfühle, wenn ich deine Zeilen lese. Und dir einfach von Herzen wünsche, dass es auch für dich bald wieder bergauf geht!

      Es klingt vielleicht komisch, aber ich wünsche wirklich jedem Menschen, dass er nie so tief wie ganz unten fallen muss. Ich drücke dir die Daumen und wünsche dir ganz viel Kraft!

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