Dienstag, 16. Juni 2015

hexenkind

Ein weiteres Werk von Sabine Thiesler - neben Charlotte Link einer meiner liebsten deutschen Autorinnen.

Zum Klappentext:

In einem einsam gelegenen alten Bauernhaus in der Toskana entdeckt ein Pilzsammler eine schrecklich zugerichtete Leiche. Sara, der deutschen Frau des Trattoriabesitzers Romano, wurde die Kehle durchgeschnitten.

Dieser brutale Mord ist aber noch lange nicht das Ende eines Unheils, das bereits vor zwanzig Jahren begann: Sarah flieht zusammen mit Romano und ihrer kleinen, hochbegabten Tochter Elsa aus Berlin und aus einer Beziehung mit einem genialen, aber gewalttätigen Musiker. In Romanos Heimat, der Toskana, fangen sie ein neues Leben an und eröffnen eine Trattoria. Aber ihr Glück währt nur kurz, denn der gemeinsame Sohn Edi ist nach einem Unfall geistig behindert. Sarah kompensiert ihr Unglück, indem sie Beziehungen zu verschiedenen Männern hat. Sie lebt ein gefährliches Leben und ahnt nicht, dass sie längst von der Vergangenheit eingeholt wird. Das Verhängnis, das damals in Berlin begann, steigert sich wie in einer klassischen griechischen Tragödie auch über Sarahs Tod hinaus bis zu einem bitterbösen Ende.

Meine Meinung:

Das Buch beginnt mit dem grausamen Fund der Leiche. Danach wird man als Leser immer wieder in die vor zwanzig Jahren stattgefundene Vergangenheit sowie die wenigen Monate vor Sarahs Tod katapultiert.

Das Buch beginnt spannend, wobei ich die langjährige Vergangenheit teilweise doch eher etwas langatmig fand. Um das heranwachsen dieser Tragödie aber nachvollziehen zu können, wurde mir bei der letzten Seite bewusst, warum man mit so vielen Informationen über Sarah, ihre Vergangenheit und ihr Umfeld gefüttert wurde.

Das Buch liesst sich fliessend, der Aufbau scheint einem logisch und doch gab es auch immer mal wieder sehr harte Worte und Passagen. Manchmal musste man sogar lachen, weil es so unglaublich schrecklich klang. So unheimlich ehrlich und irgendwie verstand man gewisse Handlungen. Und doch hätte man doch nur erschrocken und kopfschüttelnd dasitzen sollen. Eine Szene ist mir dabei geblieben: die kleine Elsa fährt mit ihrem Bruder spazieren und schiebt den Kinderwagen. Zu diesem Zeitpunkt ist mit diesem Edi noch alles in Ordnung, der tragische Unfall hat noch nicht stattgefunden. Er ist bei allen beliebt und wird vergöttert, schlussendlich ist er doch die Frucht der Liebe von Sarah und Romano. Elsa ist ja nicht seine leibliche Tochter. Romanos Eltern, bzw. vor allem dessen Mutter, lassen dies Elsa doch oft spüren. Elsa ist hochbegabt und bereits im Alter mit fünf Jahren wusste sie, wie sie ihren Bruder ärgern kann. Sie schob regelmässig das Mückennetz vom Kinderwagen zur Seite und erfreute sich daran, wie der Bruder immer wieder gepiekst wurde und weinte, weil es so biss.

Klar, es klingt sehr schrecklich. Aber so, wie es Thiesler beschrieben hatte, konnte man diese Elsa auch irgendwie verstehen und so schrecklich die Situation war, musste man doch irgendwie hilflos auflachen - weil man sich da schon denken kann, wie die Tragödie ihren Lauf nehmen wird.

Aber bis es soweit ist, passieren noch viele Dinge. Man ist stiller Beobachter und oft ist es wirklich sehr gut geschrieben. Es gibt auch heftige Szenen und schlimm wird es dann, wenn man sich langsam dem Tod nähert und weiss, was warum und wie passiert ist. Grauenhaft. Es ist wirklich eine Tragödie. Und doch gibt es da auch immer die andere Seite - die Geschichte, warum es so weit gekommen ist.

Teilweise waren es mir ein paar Charaktere zu viel. Teilweise gab es sehr viele Vorurteile und oft hatte man das Gefühl, Sabine wollte allen verschiedenen Persönlichkeiten, welche sie ins Leben gerufen hatte, gerecht sein und dadurch füllten sich Seiten. Es waren dann so viele, das manche vielleicht plötzlich auf der Strecke blieben. Und diese Wendungen waren dann oft ein grosser Schock. Vor allem, weil man als Leser wirklich miteinbezogen wurde und hilflos mitansehen (mitanlesen :-)) musste, wie dieser Charakter dem Unglück entgegenrast.

Wenn einem klar wird, warum das Buch so heisst, wie es heisst (und das wird einem erst im letzten Drittel bewusst, da hat Thiesler echt gute Arbeit geleistet!), bangt man nur noch mit. Und plötzlich verbleiben nur wenig Seiten und man weiss, dass es nicht so ausgehen kann. Weil es dann wirklich an Ungerechtigkeit grenzt. Und da holt Thiesler nochmals alles heraus und schafft in wenigen dreissig Seiten, was sie bei den vorherigen 450 bewiesen hat: Spannung, Hoffnungslosigkeit, Hilflosigkeit, Schmerz, Tragödie, grande Finale.

Zurück bleibt eine wirklich imponierte, fassungslose Leserin zambrottagirlie. Welche viele schlimme Krimis gelesen hat und bei der mittlerweile als Krimi- und Thrillerleserin vieles kommen muss, um mich zu schocken. Aber dieses Familiendrama haut alles raus.

Empfehlenswert!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen