Mittwoch, 17. Juni 2015

"nein" sagen lernen

Nein sagen können, sich zur wehr setzen, auf die eigenen Bedürfnisse achten und hören - das ist sehr schwierig für mich. Ich bin wirklich so erzogen worden, anständig zu sein, respektvoll mit anderen umzugehen und ja, vieles habe ich als kleines Mädchen in die Zeit jetzt mitgenommen. Ich musste früh lernen, einfach nur Dinge zu schlucken und ich denke schon, ist es ein herber Einschlag, war man als Kind immer gut in der Schule, mussten die Eltern sich nie Sorgen machen um das anständige Mädchen, ich war früh sehr selbständig...

... und plötzlich kommt die Wende und es ist nur noch harzig. Und klar ist auch jetzt noch vieles von diesem kleinen, schüchternen Mädchen in mir drin. Ich war wirklich extrem schüchtern und bin es auch jetzt noch. Enorm sensibel und man kann mich schnell verunsichern und zum Grübeln bringen. Mein Glück ist es, lasse ich es mir nicht immer anmerken. Eintrag dazu folgt noch, ich muss hier unbedingt noch ein paar Sachen mit einem Mann verarbeiten.

Aber nicht heute. Heute geht es um mich. Wie ich es geschafft habe, anständig "nein" zu sagen. Ich musste ja am Sonntag einspringen und arbeiten. Mein Bürogspänli ist mit ihrem Verlobten in der Provence. Wir hatten am Sonntag einen enormen Druck, es war warm im Büro und dann war auch noch der gewisse Mitarbeiter in meiner Gruppe. Alles Auslöser, welche die Spannung noch höher getrieben haben. Aber auch dazu ein andermal mehr.

Es war wirklich ein total doofer Tag. Meine Chefin kam ein paar Mal zu uns und meinte, ob wir bereits fertig seien. Es ist so, dass meine Chefin davon ausging, dass wir 100 Wahlscheine zu bearbeiten hätten. Jeweils im Zweierteam (gesetzliche Vorgabe etc.). Aber es waren plötzlich über 450! Wir waren nur zu zweit eingeteilt, von Gesetzes wegen mussten zusätzlich zwei vom Wahlbüro mit von der Partie sein.

Wir hatten die Namen plötzlich auswendig intus und meine Chefin kam schon zum zweiten Mal hereingehetzt (stopp, meine ehemalige Chefin...). Da meinte der gewisse Mitarbeiter, ob wir uns nicht in vier aufteilen wollen, es wäre ja alles klar. Und sonst würden wir ja nie fertig werden. Ich zuckte nur mit den Schultern und so teilten wir uns auf.

Es war schon lustig, mitanzusehen, wie meine ehemalige Chefin reinkam, es sah und uns darauf ansprach. Es war ihr natürlich überhaupt nicht recht. Und ich weiss, ich hätte einen Zusammenschiss erhalten, wenn ich neben ihr gesessen hätte. Aber ich hatte mich bewusst in den hintersten Ecken des Raumes verkrochen. So antwortete ihr der gewisse Mitarbeiter und es kam von ihr: nichts, gar nichts! Sie schluckte es kommentarlos. Ich schwor mir, sollte sie mich diese oder nächste Woche darauf ansprechen und mir sagen, dass es sie verstimmt hat, dann sage ich ihr direkt ins Gesicht, dass wir a) 350 Blätter mehr zu bereinigen und erfassen hatten, wie sie angenommen hatte und b) sie ganze drei Mal (wenn nicht sogar vier) zu uns gekommen war an diesem Morgen und etliche Male erwähnt hatte, dass der Rest unten fertig sei und nur noch darauf warten würde, nach Hause zu dürfen.

Wir machten also und gaben Gas. Plötzlich hörte ich ihr Telefon, dachte mir aber nichts. Bis ich meinen PC runterfahren wollte und sie zu mir meinte, dass ich ja noch nicht gehen solle, es gäbe noch ein kleines Disaster. Innerlich rollte ich schon mit den Augen. Entweder war es ein Zusammenschiss oder etwas mit meinem Stellenpensum (auch da habe ich mir vorgenommen, das Gespräch zu suchen. Nur wer motzt, kommt bei uns anscheinend im Hause weiter -.-). Ich wartete also und sie kam herein. Da platzte die Bombe. Ich habe bewusst diese Woche Dienstag und Mittwoch frei eingegeben. Einerseits, um noch Dinge für Amerika zu organisieren und heute einen Tag nur für mich zu haben. Montag ist mein freier Tag und ich war ja bereits sonntags eingesprungen. Sie meinte, dass mein Gspänli eine Autopanne hätte und sie es am Montag nicht ins Büro schaffen würde. Mir ging innerlich der Laden runter. Sie meinte, dass wir vor allem vormittags jemanden benötigen würden, um das Büro zu besetzen. Ich meinte zu ihr, dass ich nachmittags Physio hätte - stockte kurz und merkte, wie ich innerlich wirklich keinen Bock hatte, wieder einzuspringen. Nach alldem, was in den letzten Wochen passiert war. Die fehlende Wertschätzung für meine Mehrarbeit, der Umgang mit mir, diese Spielchen. Und so meinte ich zu ihr, dass es bedauerlicherweise einfach nicht drinliegen würde.

Und was war? Sie meinte nur, dass es auch so irgendwie gehen würde. Na bitte. Es war so ein geiles Gefühl, mal für mich selbst gekämpft und eingestanden zu haben. Es war ein richtiger Kraftakt für mich und das Gefühl danach - genial. Ich bin schon etliche male an einem freien Montag eingesprungen und die letzte Zeit war einfach eines zu viel. Wenn ich mich nicht mehr wertgeschätzt fühle, sollen sie doch sehen, wie es auch ohne mich geht. Und ich hoffe wirklich, in den zehn Wochen wird allen in meiner Abteilung ein wenig bewusst, was sie an mir haben. Ich will nicht überheblich klingen, aber ich übernehme etliche Arbeiten und in Sachen PC konnte ich schon oft aushelfen. Und auch sonst arbeite ich exakt und schnell. "Tiffig", wie man so schön sagt.

Das zweite Mal habe ich heute "nein" gesagt. Es tut mir zwar ein wenig leid, es geht eine sehr liebe Mitarbeiterin von uns. Sie hat genau zwei Wochen vor mir begonnen und hat jetzt genau zwei Wochen vor mir ihren letzten. Es tut mir enorm leid, weil sie so eine liebe Person ist und mir unsere erste Begegnung immer geblieben ist. Ich hatte das Gefühl, sie schon lange zu kennen und auch sonst hatten wir immer sehr gute und lustige Gespräche. Ich war auch schon privat drei Mal bei ihr zu Hause und ja, auch, wenn wir uns durch Stress nicht immer gesehen haben, war da ein unsichtbares Band. Und sie hat mir auch schon gestanden, dass ich ihr von allen Mitarbeitern am meisten am Herz liegen würde. Dass sie mich wirklich gern hat und es ihr oft leichter viel, zur Arbeit zu kommen. Mei, hat das damals gut getan :-).

Sie geht, weil es meine ehemalige Vorgesetzte verbockt hat. Die Augen vor Tatsachen verschlossen hat und zu spät handeln wollte. Es wurde nie etwas gemacht und es wird auch jetzt so weiterlaufen. Mir tut es leid um die Mitarbeitern, aber ich habe mir heute vorgenommen, nur auf mich zu achten. Wir haben uns zudem schon zu zweit voneinander verabschiedet und ich habe mir erlaubt, nebst dem Abschiedsgeschenk des Hauses ein eigenes Geschenk meinerseits zu übergeben. Weil sie mir wirklich am Herzen liegt.

Ich müsste jetzt zu meinem Arbeitsort fahren. Der ganze Druck, der ganze Stress. Nein. Und es ist ja nicht gegen sie gerichtet. Wir werden uns sowieso noch einmal sehen, bevor ich nach Amerika abfliege. Und sie nimmt es mir nicht böse. Weil sie weiss, wie es sich anfühlt. Und sie auch so eine ist, welche geografische Lage und gewisse Mitarbeiter meidet, wenn sie frei hat. Ich muss heute wirklich nicht dorthin und ich brauche wirklich Zeit für mich heute.

Vor allem, war der gestrige Tag sehr intensiv. Vor allem, hadere ich mit Amerika. Es ist wirklich einfach zu viel. Und gestern auf heute habe ich einfach vierzehn Stunden geschlafen, weil es mein Körper braucht. Natürlich nur mit Hilfe mit Temesta und das "gurkt" mich schon ein wenig an.

Sie nimmt es mir nicht übel - und darüber bin ich dankbar. Weil ich sonst grübeln würde und ein schlechtes Gewissen habe. Aber auch ich muss lernen, auf mich und meine innere Stimme zu hören. Nein zu sagen. Und ich weiss, kennen mich viele in meinem Umfeld nicht so, aber auch ich verändere mich. Nicht immer ich muss mit Veränderungen von anderen umgehen und mich rechtfertigen, wenn ich es dann gleichtue. Ich muss lernen, dass Menschen immer betroffen sind, wenn ich für mich einstehe und sie - böse gesagt - nicht mehr mit mir machen können, was sie wollen (wie eine Marionette). Klingt hart, aber ich denke schon, gibt es Menschen, welche ein Sensibelchen wie mich genz bewusst behandeln und wissen, welche Knöpfe sie drücken müssen. Mal bewusst, mal ungewollt, mal manipulierend. Wenn ich schon so extrem auf andere und ihre Gefühle achten muss, kann ich doch den Spiess mal umdrehen. Warum immer für andere denken, jetzt tue ich es für mich. Und so viel Verständnis, wie ich immer bei anderen aufbringen muss, verlange ich jetzt von meinen Mitmenschen mir gegenüber ab. Normal ist, was wir als solches definieren. Und jeder Mensch sieht es anders. Und ich beginne, umzudenken. Ich muss lernen, auf mich und meine Stimme zu hören. Und die sagt mir, dass ich heute nur noch das auspacke, was ich gestern gefunden habe, eine Runde mit Schila mache (frische Luft), dusche und dann dem TV zuschaue. Einfach für mich sein. Und vielleicht noch Mutti beim z'Nacht helfen. Ich meide Kohlenhydrate zum Abendessen, aber heute gibt es Wienerli im Teig, Rüebli- und grünen Salat. Jammy :-).

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