Freitag, 23. Juli 2010

unfassbar *kopfschüttel*

Ich gucke jedes Jahr regelmässig „Kriminalfälle“ auf SF 1 (Sommerreporttage des DOK). Ich finde es immer wieder spannend, tragisch und unbegreiflich zugleich. Teilweise bin ich echt erschüttert. So auch gestern.

Ahnungslos schaltete ich um 21.10 Uhr den Fernseher ein. Es lief gerade die Einleitung. Das Thema? Wollust. Priester, welche sich an Kinder und Jugendliche vergriffen haben. Es wurden kurz alle Betroffenen gezeigt, welche ein paar Worte sprachen. Und da erblickte ich einen „Bekannten“! Ich sass auf einmal wie von der Tarantel gestochen kerzengerade auf dem Bett. In meinem Gehirn arbeitete und ratterte es gewaltig. Den kenne ich doch! Woher? Wie hiess er noch mal? Was?! Der?!

Ich rannte zu Muddi und da kam es mir wieder in den Sinn. Mit diesem Typen hatte ich einen Kurs vor gut einem Jahr besucht. Als ich von den Ferien zurück war. Mein Herz verkrampfte sich, ein unheimlicher Schmerz breitete sich aus. Es tat weh, den Betroffenen zuzuhören. Diese Schicksalsschläge, diese Grausamkeit, diese Unfassbarkeit. In mir stieg blanke Wut, aber auch Hilflosigkeit auf. Schon lange spiele ich mit dem Gedanken, die Kirche zu verlassen. Und nun reicht es irgendwie.

Der Typ tut mir leid. Wie gerne erspart man solche Erlebnisse einem Mitmenschen. Wie hart einen dies trifft (egal ob Betroffener, Angehöriger oder „einfacher“ Mitmensch). Und wie einem bewusst wird, wieso ein Mensch so gebrochen aussieht. Ja, man hat ihm angesehen, dass er viel mitgemacht hat. Und nun weiss man auch den Grund.

Ja, ich hege Hass gegenüber diesen Pfarrer Alois F. Ich bin nicht von ihm getauft worden, hatte jedoch meine ersten Beichten bei ihm. Klar, nun kann ich viel erzählen, aber schon da hatte ich ein mulmiges Gefühl, mit ihm allein in einem Zimmerchen zu sein. Es war immer eine Kerze angezündet, unsere Hände mussten wir in die seinen legen. Es sollte wohl Sicherheit und Geborgenheit ausstrahlen, aber ich fühlte mich nie wirklich entspannt. Naja, vielleicht kommt es auch daher, dass ich so ein Engel war und nichts zu beichten hatte und das Meiste erfand : D.

Spass bei Seite. Ich bin von einem italienischen Pfarrer getauft worden, wobei „wir“ Mädchen uns bei Alois F. keine Sorgen machen mussten. Mein Bruder jedoch wurde von ihm getauft. Wenn ich nun diese Bilder angucke, verspüre ich nur noch blanken Hasse und Ekel. Meine Schwester hält auf den Bildern die Hand von Alois F., da muss ich einen noch grösseren Würgereiz unterdrücken. Wir waren gestern einfach geschockt (wir haben die Reportage mit Muddi geguckt). Kurz darauf war er weg und Pfarrer in Walenstadt.

Die Geschichte von Michael K. kann ich hier mit gutem Gewissen veröffentlichen, denn sie wurde gestern im TV gezeigt. Er ist schon als junger Bub von Alois F. belästigt worden. Sein Bruder anscheinend auch (da bin ich mir nicht mehr so sicher). Alois F. hat ihn mit Alkohol betäubt und so gefügig gemacht, wobei ein kleiner Bub noch gar nicht beurteilen kann, ob dies rechtens ist, was mit ihm geschieht. Kein Wunder also, ist er immer weiter in den Drogen- und Alkoholsumpf abgerutscht.

Sein Bruder hat es den Eltern als Erster erzählt. Die Eltern waren sehr gute Bekannte von Alois F. Ein schlimmer Vertrauensbruch Alois F. den Kindern gegenüber. Als Kind denkt man doch, dass die Eltern sich mit diesem Pfarrer gut verstehen und man darum erst recht gar nichts sagen darf. Erst danach hat sich auch Michael K. getraut, etwas zu sagen. Der Horror dabei: die Eltern glaubten ihren Kindern nicht. Ein schrecklicher Gedanke. Dies zerstört einen doch innerlich noch mehr, man fühlt sich noch hilfloser. Immerhin blieben sie stark und Alois F. wurde zu 4.5 Jahren Zuchthaus verurteilt. Eine kleine Genugtuung, aber immer noch eine zu sanfte Bestrafung in meinen Augen.

Ob sich Alois F. dessen bewusst ist, wie er das Leben vieler Jungen Buben zerstört hat?! Wie er in diesem Fall Michael K. in die Alkohol- und Drogensucht sowie in die Schulden getrieben hat? Ihn seelisch kaputt gemacht hat?

Auch andere Betroffene sind in der eigenen Kirchengemeinde verhöhnt und sogar bedroht worden, als sie ihre schreckliche Vergangenheit öffentlich machten. Unglaublich. Unfassbar. Und dies noch in der heutigen Zeit. Nun ja, wenn ich nun alles aufzuschreiben beginne bzw. über alles Unglück und all die Ungerechtigkeit auf der Welt zu Grübeln beginne, komme ich nirgendwo hin.

Aber ich bin jetzt noch geschockt. Ich wünsche Michael, seinem Bruder und allen anderen Betroffenen sowie Angehörigen auf diesem Weg alles Gute für die Zukunft.

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