Donnerstag, 15. Oktober 2015

zu viel zugemutet

Man lernt nie aus. Und so schwierig solche Momente sind, so sehr schätze ich sie. Weil ich mich einerseits besser kennen lerne. Mich, meine Kräfte und meine Grenzen. Und andererseits merke, wie stark ich mittlerweile bin. Und doch auch das Gespür, wann etwas zu viel ist, ist noch ungewohnt. Weil ja mein Körper und meine Rückmeldungen allgemein eher stumpf und kalt sind.

Es war eigentlich ein guter Tag. Mehr oder weniger. Immer ein wenig das Gleiche und der Stress vor den Ferien. Dann eine komische Stimmung von einem Mann, den ich aus meinen Kopf hämmern möchte (ja, es geht um den einen, gewissen Mitarbeiter). Ich habe feine Antennen und es war eindeutig einfach komisch. Hatte vielleicht einen schlechten Tag.

Nach der Arbeit ging ich mit zwei Mitarbeiterinnen in ein Atelier, um für eine weitere Mitarbeiterin für ihren Geburtstag ein paar Malutensielien einzukaufen. Es war alles okay. Es war eine bekannte Klinik für psychische Krankheiten in der Nähe meines Arbeitsortes. Kein Problem eigentlich. Ich meine, Pupa habe ich auch schon in einer Klinik besucht und ich selbst war ja auch schon eine besichtigen und in einer Tagesklinik für drei Monate. Es ist nichts schlimmes.

Aber was es auslöst, welche Erinnerungen und Ängste es weckt, das ist schlimm. Die eine Mitarbeiterin, welche unter anderem mit dabei war, meinte, dass wir uns noch sehr ähnlich seien. Sie ist jene, welche sich ebenfalls überall zu Hause fühlt, abgesehen von dort, wo sie lebt. Obwohl sie die Menschen um sich herum liebt und geliebt wird. Sie reist oft alleine und hat mir auch ein paar Anekdoten ihrer Vergangenheit erzählt. Unter anderem war sie auch schon in besagter Klinik. 

Und ja, sie ist ein toller Mensch und sie hat es geschafft. Sie arbeitet und ist fröhlich und eine so liebevolle, herzliche Person. Und gleichzeitig ist mir heute bewusst geworden, dass ich vielleicht mein eigenes Ich in zwanzig Jahren vor mir habe. Und vieles sind Ängste, die ich habe, welche sie erfüllt. Die einsamen Reisen. Das alleine sein. Kurze, schlimme Beziehungen. Kaum ein Ort, an dem sie sich heimisch fühlt. Etliche Stellenwechsel.

Es macht mir Angst. Alles Dinge, die ich als so empfinde, dass sie durch mein Schicksal bedingt sind. Ein Lebensweg, den ich freiwillig nie gehen wollte.

Aber das ist ja noch einigermassen okay. Ich meine, mein Leben verläuft vielleicht ganz anders und ich muss nun einfach weiter stark bleiben und mein Leben gehen. Es muss für mich stimmen und eben, ich fühle mich vielem beraubt (zum Beispiel eine Beziehung zu einem Mann eingehen), aber ist ein Mann wirklich so lebenswichtig? Klar, es hat positive Aspekte, aber eben, was soll ich gross vermissen, was ich nie wirklich miterleben und auskosten durfte.

Meine Angst, als ich diese Klinik hinter mir liess, war: ich möchte nie in eine Klinik zurück und von vorne beginnen müssen. Ich halte diesen Gedanken nicht aus und ich würde es nicht schaffen. Wieder von ganz vorne beginnen? Sechs bis sieben Jahre kämpfen? All diese Grübeleien, der emotionale und körperliche Druck und Schmerz? Dieses Leid? Nein, das packe ich nicht. Und ich habe nun solche Panik, mein Leben nie unter Kontrolle zu haben.

Natürlich ging der Strudel weiter auf dem Weg nach Hause. Ich selbst finde, dass ich kein guter Mensch bin. Ich muss Schlimmes verbrochen haben, um das alles verdient zu  haben. Ich möchte mich niemandem zumuten. Ich fühle mich hier nicht zu Hause. Ich weiss nicht, wohin mit mir. Ich fühle mich nirgends sicher, geborgen und wohl. Ich bin allein. Fühle mich oft kraftlos und fragte mich zig Mal, was meine Aufgabe hier ist. Die Welt würde sich ganz normal weiterdrehen, ob ich nun hier bin oder eben nicht. Unsichtbar. Reibe mich für andere auf, um mit Tritten entsorgt zu werden. Es ist nicht mein Leben. Es geht mir so nicht gut.

Aber einfach auswandern und weg? Nein. Womit? Und wie zurück in die Schweiz kommen? Noch mehr Existenz- und Geldängste? Und hier beginnt die Diskussion über Exit. Es sollte keine schnelle Lösung sein. Es gibt Dinge, die man angehen muss und ich weiss, dass es mir nächste Woche vielleicht besser geht und die Gedanken (vor allem die Schlussgedanken) positiver sind. Aber ich bin doch erwachsen und sollte selbst entscheiden sollen, wie ich mein Leben gestalten will. Und wenn ich gehen möchte, möchte ich gehen. Vor allem bei einer längeren Geschichte. Es sollte nicht zugänglich für Menschen sein, welche einfach kurz ein Tief haben. Das finde ich überstürzt. Aber es gibt Menschen, welche ich auf meinem Weg bis hierhin kennen lernen durfte und die einfach sagen: "Wie vviel muss ich noch ertragen und erleiden, um endlich gehen zu können? Und andere Menschen leben gesund, geben auf sich acht und sind lebensfroh - und erhalten eine schlimme Diagnose und sterben qualvoll früh." Und das verstehe ich.

Nein, ich habe keine Suizidgedanken. Ich bin einfach müde. Erschöpft und kraftlos. Vielleicht fühle ich mich auch gerade allein mit meinen Gedanken und hilflos. Eben, es zeigt mir, wie ich gewachsen bin. Es sind nicht immer sofort Suizidgedanken da, wenn es mir schlecht geht. Und gleichzeitig zeigt es mir, wie anstrengend es ist, ich zu sein und wie sehr ich Angst davor habe, noch weitere 40 Jahre damit leben zu müssen. Uäch...

Des weiteren bin ich essenstechnisch wirklich krankhaft unterwegs. Und ich weiss nicht, ob ich es in meiner nächsten Therapiesitzung ansprechen soll.

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