Freitag, 7. Oktober 2016

der fänger

Es ist ja kein Geheimniss, das mein absoluter Lieblingsautor Andreas Franz ist. Als ich schon in jungen Jahren ein Buch von ihm gelesen hatte, war es um mich geschehen. Obwohl es unter seinen Werken ganz schwer verdauliche Lesekost gibt. Aber so ist bzw. war er nun mal. Nannte die Grausamkeiten beim Wort und wenn ich ehrlich bin, schaffen es nur er und Fitzek, mir regelmässige Gänsehautschauer über den Körper zu jagen. Andere Krimi-, Dramen- und Thrillerautoren sind natürlich auch gut und ich bin schon von vielen eher unbekannten Autoren überrascht worden. Aber ich bin und bleibe ein grosser Fan von Andreas Franz.
Dementsprechend warte ich jedes Jahr sehnsüchtig auf eine neue Buchveröffentlichung. Franz ist im März 2011 überraschend verstorben. Man munkelt bis heute, dass es damit zu tun hat, dass er in seinen Büchern kein Blatt vor den Mund genommen hat. Ich selbst habe mir auch schon überlegt, ob es daran liegen könnte. Er hatte Kontakte bei der Polizei und seine Geschichten hatte er nicht nur rein aus seiner Fantasie. Es gibt Bücher mit Durant, die wirklich sehr happig sind. Und wenn man diese gelesen hat, merkt man schon, wie die Brutalität und Grausamkeit (vor allem im Bereich Bandenkriminalität in Sachen Zwangsprostitution (auch vieler Minderjährigen) mit dem Ostblock) in seinen Büchern mit der Zeit nachgelassen hat. Und ich kenne ja all seine Werke. In den ersten Bändern von Durant hat es mir regelmässig den Atem verschlagen. Okay, vielleicht liegt es auch daran, dass ich mich langsam an seinen Schreibstil gewöhnt hatte ;-). Nach wie vor schätze ich es, dass man auf frühere Werke nicht sonderlich eingeht und damit Geschichten verrät. Wobei doch immer wieder Charaktere vorkommen, die mein Gehirn natürlich sofort fast detailgetreu der (Kennenlern-)Geschichte zuweisen kann. Es sind halt Namen, die einem beim Lesen früherer Werke sofort das gewisse Licht aufgehen lassen. Aber es sind wenige. Und das schätze ich sehr, dass weiterhin daran festgehalten wird.
Fakt ist: Daniel Holbe hat dann seine begonnenen Werke weitergeschrieben. Wie viele Zeilen dabei schon von Franz bestanden haben oder ob mittlerweile Holbe alle selbst aufgesetzt hat, ich weiss es nicht.
Zum Klappentext:
In einem Waldstück bei Frankfurt wird die grausam verstümmelte Leiche eines Mannes gefunden, der seit Jahren verschwunden war. Die Ermittlungen ergeben, dass er zwar mehrfach wegen Sexualdelikten angezeigt, doch nie verurteilt wurde. Selbstjustiz?
Julia Durants 16. Fall führt die Frankfurter Kommissarin an ihre Grenzen, denn sie stösst in den eigenen Reihen auf ein geheimes Netzwerk, das anscheinend bis in Kreise von Politik und Justiz reicht.
Meine Meinung:
Es ist jedes Mal so, dass ich hier die Brutalität anspreche. Ich möchte nicht masochistisch erscheinen, aber von Franz bin ich mir da doch einiges gewöhnt. Und auch dieses Buch kam nicht an diese Messlatte heran.
Was meiner Begeisterung keinen Zacken von der Krone nimmt. Das Buch ist flüssig geschrieben, die Charaktere sind, wie man sie kennt und doch sind die Autoren auch schon intensiver in die Privatsphäre der Kommissare eingedrungen, haben mehr darüber berichtet.
Es gab mir teilweise schon fast zu viele Geschichten, welche parallel liefen. Vor allem viele Charaktere und Namen. Da musste man teilweise ganz genau und konzentriert lesen. Oft hatte ich den Eindruck, als würde Holbe alles sehr oberflächlich halten, um ja bei niemanden anzuecken. Und bei einem Charakter ging er ganz hart ran, fast über ¾ des Buches lang – um dann einfach kurz vor knapp damit aufzuhören. Da hatte ich mir schon Sorgen gemacht, ich rechnete eigentlich mit einem Weggang oder Tod eines langjährigen Teammitglieds von Durants Einsatzkommando.
Das Ende hat mich dann doch sehr enttäuscht, entspricht aber wahrscheinlich der Realität der Korruption. Die Politiker waren fein raus, ein Sündenbock war schnell gefunden. Der Leser ahnt zwar die Wahrheit und für das Weiterschreiben der Bücher benötigte Holbe den eigentlichen Täter noch. Dies ging aus den letzten Seiten heraus.
Dieses Buch bringt einen zum Grübeln. Es ging auch um das Verarbeiten von Traumas, um die Dynamik einer Gruppenfunktion, um das Verschweigen, Korruption, Hinterschlagen und vor allem um das Schicksal viele Osteuropäerinnen. Und ich glaube, genau dies macht es für den Leser schwierig. Denn es passiert wirklich da draussen auf der Welt. Nur bekommen wir es nicht mit bzw. nicht jeder hat die gleich hohen Berührungspunkte damit.
Wie soll ich es sagen… ich werde dieses Buch weiterhin behalten und zu meiner Sammlung legen. Ich werde alle weiteren Bücher, welche unter dem Namen Andreas Franz veröffentlicht werden, kaufen und behalten. Und doch war auch hier wieder dieses Gefühl, die Kommissarin und die Personen drum herum nicht wirklich greifen zu können. Vieles schien mir eher oberflächlich und nicht wirklich tiefgründig. Es gab ein paar Passagen, welche dies schafften, und doch war es mir einfach sehr oberflächlich gehalten. Es liefen so viele Geschichten parallel nebeneinander her in diesem Werk, dass man eine „Intimität“, also Tiefgründigkeit , nicht wirklich innerhalbt der knapp 430 Seiten erwarten kann.
Die Geschichte an sich ist gut. Und doch fehlte mir das gewisse Etwas. Die Auflösung an sich fand ich dann gut – abgesehen von der Korruptheit und der Inhaftierung des falschen Mannes – vor allem gefiel mir der Gedanke daran, dass der Haupttäter noch frei war und sich auf sein nächstes Opfer konzentrierte. Wobei es hier Franz/Holbe sehr gut geschafft hat, ein gewisses Mass an Verständnis, Mitgefühl und Anteilnahme dem eigentlichen, wahren und ungefassten Täter gegenüber aufzubringen. Sexualstraftäter (egal ob selbst als Täter, Pädophiler, Zuhälter, Schleuser oder weiss ich was noch alles…) werden meiner Meinung nach viel zu milde bestraft. Ich kann da nur sehr gut nachvollziehen, dass gewisse Menschen an Selbstjustiz denken. Und wäre ich selbst davon betroffen, wäre ich ebenfalls eine, welche mit diesem Gedanken nicht nur einmal spielen würde – es vielleicht sogar in die Tat umsetzen würde. Denn es gibt leider immer noch Grausamkeiten, die viel zu milde bestraft werden. Ich bin nicht Befürworterin der Todesstrafe. Aber foltern sollte man gewisse Täter schon.
Eben, das Buch ist an sich wirklich ganz gut geschrieben. Die Dialoge sind gut und schlüssig, ein Film lief während dem Lesen in meinem Kopf ab und das deute ich immer als gutes Zeichen. Nicht das stärkste Werk von Holbe und Franz, aber auch nicht das schwächste. Es war halt wirklich eher ein Kriminalroman. Einzig was mich gestört hat, waren die vielen verschiedenen Geschichten, welche nebeneinander liefen und dementsprechend viele Personen und Charaktere mit sich brachten. Obwohl die Fälle irgendwie zueinanderfanden.
Es ist nun mal so, dass Franz in der Zwischenzeit viele Kriminalkommissare mit eigenem Gebiet erschaffen hat. Aus dem hohen Norden (kann mich nicht mehr an deren Namen erinnern), Durant in Frankfurt mit ihrem Team und Brandt in Offenbach, ebenfalls mit einem Team. Natürlich ist mir klar, dass sich da alles mehr auf deren Terrain und Privatsphäre konzentriert, wenn explizit nur in deren Gebiet ermittelt wird. Und vielleicht ist genau das, was mir fehlt. Für einige Fans war es natürlich super, dass die Wege von Durant und Brandt zueinanderfinden und sie bis dato nicht nur einen Fall miteinander gelöst haben.
Ich aber wäre eine der wenigen, welche einen einzelnen Fall für den Norden, für Durant und für Brandt wieder befürworten würde. Mit mehr an Privaten vielleicht ;-). Wobei mir klar ist, dass da sich vieles natürlich auch irgendwie festgefroren hat und Kinder, Partner/innen etc. sich alle dementsprechend weiterentwickelt haben und es nicht mehr das gleiche wäre.
So, das Buch behalte ich und empfehle es für Kriminalbucheinsteiger wärmstens!

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