Sonntag, 29. November 2015

plötzlich entblösst

Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich solche Situationen aktuell eher anziehe. Wir alle sind schon einmal in etwas reingeraten, wo wir im Nachhinein gerne so reagiert hätten, wie wir es eigentlich im ersten Impuls wollten. Doch aus irgendwelchen Umständen reagieren wir anders.

Aus Anstand. Oder wir sind so erzogen worden. Aus Scham. Aus Verunsicherung.

Oder aus Fassungslosigkeit.

Jetzt kann ich irgendwie darüber lachen. Vor allem, als ich es Muddi erzählt habe. Und ja, es ist ja auch nicht wirklich etwas schlimmes, aber gestern konnte ich einfach nur den Kopf schütteln, weil ich mit so etwas nicht gerechnet hatte. Ich war wirklich überrumpelt und habe mich einer solchen Situation noch nie gegenüber stehen sehen...

Ich hatte am Freitag für den Nachmittag spontan frei genommen. Einerseits habe ich viele Überstunden (fast zwei Wochen bei meinem Pensum) und andererseits habe ich aktuell keinen Bock auf dieses Haus und gewisse Menschen dort. Ich war schon ein wenig entrüstet, als mich mein neuer Chef fragte, ob ich auch genug Überstunden zum Beziehen hätte. In einem etwas ernsteren Ton erwähnte ich meine Überstunden und die vielen Kurse, welche ich in letzter Zeit an meinem eigentlich offiziellen freien Tag besucht hatte. Er ruderte sofort zurück. Ich meine, er macht die Schlusskontrolle bei meinen Arbeitsstunden seit gut drei, vier Monaten. Der weiss, wann ich im Büro sitze und wie ich arbeite. Ich hasse Minusstunden. Lieber etwas mehr, wobei es in letzter Zeit durch Kurse einfach Übermass angenommen hat.

Ich ging kurz zu einem Markt in regionsnähe meines Arbeitsplatzes und danach nach Hause. Dort überkam mich der Putzwahn - ich brauchte Ablenkung. Zimmer und Dusche geschrubbt sowie neue Handtücher bereitgestellt, Zimmer abgestaubt und Bett frisch bezogen. Danach für Muddi noch die Wohnung abgestaubt und gesaugt und dann mit Schila los. Zwischendurch bei der Wäsche mitgeholfen.

Als ich mit Schila unterwegs war, genoss ich die kühle Luft im Gesicht. Von weitem sah ich einen Mann bei einem Baum und einer Bank stehen. Es sah so aus, als würde er in die Natur rausblicken. Ich musste kurz vor seiner Gestalt links abbiegen, um das volle Hundesäckli von Schila zu entsorgen und neue zu ergattern, als ich den Mann - gut erzogen wie ich bin - grüssen wollte. Ich blickte also zu ihm hin, hatte meinen Mund bereits geöffnet und sah, wie er sich den Reissverschluss an der Hose gerade hochzog! Er hatte den Rücken zu mir gewandt und doch erkannte ich ganz genau, dass er mit der einen Hand seine Hose festhielt und mit der anderen den Reissverschluss hochzog.

Sofort wandte ich meinen Blick ab und konzentrierte mich nur noch auf den Robydog. Ich hörte, wie er mit Schila begann zu sprechen. Ich musste wieder an ihm vorbei, um nach Hause zu kommen, straffte meine Schulter, atmete tief durch und lief wieder in seine Richtung. Er meinte noch, was ich für einen süssen Hund hatte und grüsste freundlich. Ich lächelte nett und grüsste ebenso, lief aber ganz schnell weiter.

Ich wusste nicht, ob den Kopf schütteln oder loslachen. Es war einerseits so eine peinliche Situation und dann wieder kann ich es einfach nicht verstehen. Es ist ein Naturweg, wo sich auch viele Schüler herumtreiben. Pinkeln in der Öffentlichkeit finde ich persönlich nicht gut. Ich vermeide es, seit ich ein junges Mädchen bin. Ich habe selbst in Amerika nicht irgendwo in einem tiefen Wald meine Blase geleert. Ich verurteile niemand, der dringend muss und in der Reisegruppe ist es auch schon vorgekommen, dass eine Dame kurz tiefer in den Wald musste. Kann ich alles nachvollziehen, finde ich trotzdem nicht gut. Aber so in der Öffentlichkeit, wo ein Weg verläuft und immer wieder ein Velo vorbeifährt oder sich Kinder herumtreiben? No way.

Und doch: irgendwie musste ich ja auch lachen.

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