Samstag, 23. Mai 2015

auf wellengang

Momentan fühlt es sich für nicht wirklich so an, als wäre ich auf dem Weg zurück zum Leben. Ich überlebe eher. Kämpfe nur noch auf Amerika hin und so hart es klingen mag, aber letzte Woche während meiner Planung rutschte mir bei Mutti raus, dass ich zwei Optionen habe: 10 Wochen Auszeit in Amerika oder 10 Wochen Klinik. Und ja, erst da wurde mir mal wieder bewusst, wie ernst es wieder ist.

Klar, ich bewältige meinen Alltag gegen aussen, aber innerlich freue ich mich riesig auf meine Auszeit, auf mein Abenteuer, auf die Distanz zu allem. Wenn ich frei habe, geht es mehr oder weniger. Vor allem über die Auffahrt war ich froh um ein paar freie Tage - für die Planung. Es tat gut. Sobald ich arbeite, muss ich abends jeweils ein halbes Temesta einwerfen, um überhaupt Ruhe zu haben. Temesta ist genial, aber auch gefährlich. Mir reicht zum Glück eine halbe Tablette, ob es dann rein um das Wissen geht, dass es wirkt und nicht um die Wirkung selbst (man sagt ja, ein Glaube an etwas kann Berge versetzen), interessiert mich nicht. Ich schlafe tief und traumlos, die Gedanken sind weg, nur sind die Tage dann teilweise danach sehr lang und ich oft müde. Aber anders geht es einfach nicht.

Menschen um mich herum vergessen, dass ich im "Ruhestand" bereits eine Anspannung habe, welche bei normalen Menschen unter uns Stress bedeutet. Und aktuell ist es noch schlimmer und die kleinste Bemerkung, das kleinste Missverständnis, die kleinste Sache, welche mir aus den Händen entgleitet, führt bei mir zu einem vulkanähnlichen Ausbruch. Klar ist da oft jemand irritiert.

Ich wollte hier einfach mal ein wenig zusammenfassen, was die letzten Tage so war, was mir so durch den Kopf geht. Vielleicht hilft mir das auch ein wenig bei der Sortierung meiner Gedanken.

Mittlerweile habe ich den ersten Tag mit meinem neuen Chef alleine im Büro hinter mir. Und ich weiss nicht, ob es jetzt einfach so zur Anfangszeit so ist - aber der hat gestern all seine Sachen alleine gemacht. Na klar, ich bin Sachbearbeiterin und kopiere auch gerne mal etwas bzw. habe ihm gestern so eine Ablageschublade mit Hängemappen etc. erstellt, aber meist macht es der Ton und der ist bei ihm wirklich anders. Mal schauen, ob es so bleibt. Aber gestern ist der selbst im Haus herumgesprungen, hat Kopien gemacht und weiss ich was zusammengesucht. Am Schluss ist er noch vor mir in den Feierabend (und ich komme gerne um 7 Uhr früh, um mir dann den Luxus zu nehmen, Punkt Feierabend zu gehen - vor allem am Freitag) und hat sich für alles bedankt. Ich sass wirklich perplex da. Aber ich bin vorsichtig. War ja bei meiner ehemaligen Chefin nicht anders. Und sie ist ja nach wie vor meine Vorgesetzte. Wenn auch nicht "Big Boss". Teilweise habe ich schon das Gefühl, ihre Aktionen grenzen an Mobbing. Über meinen Urlaub zu reden scheint ein Tabu zu sein, es kommen immer wieder Kommentare, wenn mich jemand darauf anspricht. Am ehesten ist mir der letzte Woche geblieben. Mein neuer Chef kam zu mir und meinte scherzhaft, dass ich seine oben benannte Ablageschublade dann schon noch vor meinem grossen Urlaub mache. Immerhin müsse ich mir diesen doch noch ein wenig verdienen. Ich und mein Gspänli lachten auf, meine Chefin raunte lediglich ein "ich würs au meine!". Ob sie es lustig gemeint hat, ich weiss es nicht. Aber ich konnte den gefährlichen, scharfen und schneidenden Unterton schon hören. Aber ist nicht mein Problem. Ich werde den Mund schon noch aufmachen. Nach wie vor: anständig, aber bestimmt. Und ich hoffe wirklich, es ändern sich nun ein paar Dinge. Sie hat bei der Einarbeitung des neuen Chefs doch ein paar Kommentare fallen lassen, welche ich einfach nicht okay finde.

Es wäre schade um die Stelle. Ich liebe meine Tätigkeit und die Abwechslung. Und auch viele Leute sind ganz okay. Aber anscheinend hat der Führungsstil meiner ehemaligen Chefin doch seine Spuren hinterlassen. Ist mir doch oft erzählt worden, wie es vorher war und wie es die letzten Jahre unter ihrer Führung war. Und ja, ich hoffe einfach, es wird wieder ein "gemeinsam" und nicht "jede Abteilung für sich". Ich habe doch selbst gemerkt, wie eine Chefin auf jemanden abfärben kann. Aber ich habe die Bremse gezogen. Und vielleicht hat ihr das nicht gepasst.

Bei der Arbeit läuft es. Privat solala. Ich bin aktiv mit Familie und Pupa unterwegs. Die ist natürlich ein grosser Halt, kann genau verstehen, wie oben mir alles steht. Wie es mir geht. Wie verschissen es sich anfühlt und das Gefühl der Angst, sich ein Leben lang damit herumschlagen zu müssen. Ihr geht es aktuell sehr schlecht, ihre Blutwerte sind miserabel und wenn ich könnte, würde ich sie sofort mit in die Ferne nehmen. Vielleicht letztes Jahr zum Geburtstag die Carfahrt schenken. Dann nehme ich sie mit nach Apulien. Sie kennt ja den Teil ihrer Eltern, war aber noch nie bei uns im Süden. Und es würde ihr bestimmt gut tun! Mit Laura bin ich fleissig in der Volleyballplauschgruppe unterwegs und auch sonst sehen wir uns oft. Ich geniesse es. Vor allem das Spielen. Macht Spass, wieder aktiv bei meinem Lieblingssport mit dabei zu sein. Klar, der Rücken motzt teilweise und meldet sich, aber ich nehme vor und nach dem Spiel jeweils ein Schmerzmittel. Klar, es wäre besser, würde es ohne gehen, aber im Moment ist es mir egal. Vor allem ist es ja noch entzündungshemmend und in der Physio arbeiten wir aktuell auch wieder vermehrt an meinem Rücken - somit denke ich, ist es im Moment eine Unterstützung. Die Volleyballgruppe wächst von Woche zu Woche und ich finde es wirklich cool.

Klar gibt es auch unschöne Geschichten und Dämpfer - aber mit denen befasse ich mich aktuell nicht. Ich schirme alles von mir ab, was zu viel werden könnte. Finde einfach, dass es nicht nur immer an mir liegen solle und ja, ich bin kein Mensch, der eigentlich einem vor die Nase hält, was man alles für diesen gemacht hat, aber irgendwann ist auch bei mir eine Schmerzgrenze erreicht. Vor allem, weil ich wirklich jahrelang viele Dinge einfach runtergeschluckt habe, weil ich genau weiss, wie verletzte die Person dann reagiert, weil ich ihre Vorgeschichte kenne. Weil ich weiss, wie sensibel sie ist und wie gross ihre Angst davor ist "kritisiert" zu werden, nicht gut genug bzw. einen Fehler gemacht zu haben. Ich habe viele Dinge wirklich einfach hingenommen und vielleicht ist auch da ein wenig der Fehler bei mir. Man kann sich Dinge offen sagen bzw. sollte sich dies sagen können und ich weiss, ich bin auch nicht die Beste darin, solche Worte entgegen zu nehmen. Aber man kennt sich vielleicht jahrelang und hat Angst vor der Reaktion des Gegenübers, weil man eben ein wenig weiss, wie dieser reagiert (reagieren könnte). Wie gesagt, ich mache vieles gerne und opfere mich für einen Menschen voll und ganz, aber anscheinend wird dabei schnell vergessen, dass ich dies etliche Jahre gemacht habe, bis ich einfach mehr auf mich zu achten begonnen habe. Und selbst da noch lange Schwierigkeiten hatte, einzusehen, dass ich es wirklich nur für mich mache und nicht für jemand anderen, weil sonst kann man eine Therapie von Anfang sein lassen. Ich habe wirklich nur um mein Leben gekämpft für Mutti, Family und wenige Menschen um mich herum. Nie für mich selbst. Und dann beginnt man endlich, mal für sich etwas zu tun und es ist anscheinend auch nicht überall gleich recht. Und ja, ich bin wirklich nicht nachtragend, aber ich bin oft durch die Gegend gefahren (klar, war meine Entscheidung, ein Auto zu haben und zu fahren) und habe nie etwas dafür verlangt. Ich erwarte nichts von einer Person und eben, ich bin wirklich nicht kleinlich und ich möchte nicht, dass dies falsch verstanden wird - aber ich habe dies alles ohne Gegenleistung gemacht. Gerne, ja. Viele haben mir dann ein Getränk oder sonst etwas bezahlt. Anfangs war es mir egal, aber irgendwann fühlt man sich dann doch ein wenig - ach, lassen wir es. Das verstehen sowieso die wenigsten. Vielleicht hätte ich früher mal den Mund aufmachen sollen, wie auch über die Tatsache, dass ich wirklich an all die Träume und Versprechen festgehalten habe. Das es für mich nicht einfach eine Schwärmerei unter Teenies war, sondern es ernst genommen habe. Verstand, dass es schwierig ist, mit wenig Geld auszukommen und es doch nie zu einer gemeinsamen Ferienreise gekommen ist, obwohl dann doch der Lohn immer mehr stieg. Und was mir einfach wirklich in den Knochen steckt, ist, dass ich bei meiner Rücken-OP einfach wirklich alleine in diesem Spital lag und wildfremde Mitarbeiterinnen mich besucht haben - aber nicht die engsten Bezugspersonen. Meine Mutter kam regelmässig, mein Vater war auch mit dabei, Pupa habe ich jeden Tag gehört (ich meine, sie selbst hatte Chemo zu dieser Zeit) und meine Sis und mein Bruder kamen auch nach Feierabend. Klar, es sind über 70 Kilometer gewesen, aber meine Cousine und ihr Lebenspartner kamen angerauscht und auch Laura kam zu einem Pläuschchen. Es muss nicht lange sein und ja, ich kann verstehen, ist der Weg lang und vielleicht das Spital nicht für jeden etwas. Aber ich war verletzte, war da eine sehr enge Vertraute nie mit dabei. Und anscheinend gab es von meiner Mutter schon das Angebot, dass sie die Fahrt übernommen hatte. Eben, ich möchte nicht nachtragend sein und vielleicht ist das Spital nicht jedermanns Sache - aber geht es hierbei nicht um eine deiner engsten Vertrauten? Und ja, wie gesagt, ich möchte hier nicht aufzählen, was ich alles gemacht habe, aber mir ist da im Spital einfach bewusst geworden, dass ich für die Person einmal an einem Nachmittag (da war ich im Stundenlohn angestellt) frei genommen habe, um von meiner Arbeit aus den langen Weg (und das sind dann bestimmt um die 120 Kilometer) mit dem Zug auf mich genommen habe, um diese zu unterstützen und nach Hause zu begleiten. Ich habe es gerne und selbstverständlich gemacht, na klar! Aber im Nachhinein tut es halt weh, wenn man den Vergleich sieht. Vor allem, wenn man weiss, dass meine Mutter eben eine Fahrt getätigt hätte. Aber eben - es ist die eigene Sicht. Und das musste jetzt einfach mal raus. Weil ich mich mündlich nie getraut habe und mündlich nie trauen werde, weil es eh falsch verstanden wird.

Ich finde es einfach wieder erstaunlich, mit welcher Last der Mensch gleich weiter zu leben können scheint. Und ich weiss, mein Schicksal ist nicht das härteste und ich bewundere Menschen, welche kämpfen und dranbleiben. Und doch habe ich oft das Gefühl, die Menschen sehen mich und vergessen, wie schwer es ist. Sie sehen, wie ich alles zu akzeptieren und hinzunehmen scheine. Wie ich an mir arbeite und mir äusserlich kaum etwas angesehen wird. Klar, ich bin teilweise wirklich glücklich, sieht man es mir nicht an - aber diese Maske macht auch vieles schwer. Ich weiss, ich bin oft jene, welche Dinge nicht ausspricht und nicht sagt, wie verschissen es ihr geht. Weil ich eben nicht im Mittelpunkt stehen möchte und weil ich irgendwie hoffe, Menschen, die mir nahe stehen, sollten es merken. Vor allem habe ich die wichtigsten Punkte angesprochen, vor allem, dass ich meine Mitmenschen nicht belasten möchte und deshalb kaum über solche Dinge spreche. Aber ich sehe Blicke. Sehe Gesten. Höre zwischen den Zeilen und ja, ich fühle mich wirklich wertlos, wenn Menschen zu vergessen scheinen, wenn ich ihnen sage, wie ich wann und weshalb so reagiere. Das ich eben Dinge nicht anspreche. Das ich es leid bin, weiter so zu leben. Ich sende Signale, indem ich Fressattacken habe und Einkäufe tätige. Mein Gesicht spricht Bände, mein Körper schreit und ich habe wieder eher stark zugenommen, wie vor einem Jahr. Ich kaufe und mache und das sind meine Hilferufe. Mein Urlaub ist ein Hilfeschrei. Das Alleinsein ein Schutz. Und ja, ich finde, ich musste - vor allem in den letzten Jahren - viel mitmachen und Menschen vergessen da einfach, dass es mich sehr geprägt hat und verdammt oft beschäftigt. Das ich mit meinem Schicksal hadere, mich vieler Dinge beraubt fühle. Ein Mensch kann sich nicht vorstellen, wie abgrundtief man sich hassen kann - egal, wie gut es mir zu gehen scheint. Mein Leben ist ein Wellengang und ich lerne, das Boot sicher auf dem Meer zu führen. Aber ich werde ein Leben lang damit klar kommen müssen, was alles passiert ist und noch passieren wird. Es ist etwas, was ich mir freiwillig nie ausgesucht hätte und ich erwarte kein Mitleid, um Gottes Willen. Aber viel mehr Verständnis.

Solange ich in den Augen anderer "funktioniere" ist alles gut, wie selbstverständlich. Aber oh weh, ich mache etwas falsch, da kommt ein Donnerwetter von allen Seiten. Und da wünsche ich mir oft diese leere Hülle, mein leeres Ich vor ein paar Jahren zurück. Oder frage mich, wie es wohl sein wird, einfach nicht von Amerika zurück zu kehren. Meine letzte grosse Reise geniessen.

Schon wieder bin ich zu sehr in der Thematik drin. Ich brauche diese räumliche Auszeit. Einfach weit weg. Etwas machen - mal wieder allein. Das können auch nicht viele nachfühlen. Ich bin wirklich allein. Und sage es nicht einfach so. Aber ich freue mich auch irgendwie darauf. So ergeht es mir nämlich auch oft in Italien: ich bin alleine, werde mit nichts konfrontiert und geniesse diese Ruhe. Kein innerlicher, wie äusserlicher Zweikampf. Einfach sein. Fühle kaum etwas, empfinde nichts, muss mich mit nichts auseinandersetzen. Mein Körper ist einfach da und ich lebe in den Tag hinein. Keine Gespräche, einfach Ruhe. Ich und die Welt. Und zwei Gruppen werde ich ja auch noch begleiten, von dem her bin ich nicht durchgehend allein. Viele meinen, dass ich schnell Bekanntschaften schliessen werde, aber ich bezweifle es. Ich habe da nicht so ein Glück in dieser Sache. Das sind so Sprüche wie à la "sobald du nicht suchst, wird dich der Richtige schon finden". Das sind für mich lahme Sprüche, nichts weiter. Aber ich bleibe offen. Und wie schon ein paar Mal hier erwähnt. vielleicht merkt jeder um mich herum und ich selbst auch, was wir so aneinander haben.

Die letzten Tage war ich vor allem im Planungsfieber. Wahrscheinlich zu heftig, denn am Freitag hatte ich mal wieder Schwindel. Ich hasse es und vor allem wäre eigentlich ein Tanzabend mit Laura geplant gewesen. Wir gingen essen und es war auch so okay für mich. Ansonsten habe ich von Donnerstag bis Montag (habe ich ja jeweils frei, Dank Auffahrt also fast Ferien :-)) meine Route geplant. Und die Vorfreude stieg von Stunde zu Stunde. Wuhu, das wird mir auch ein Erlebnis! Das Wetter ist mir mehr oder weniger egal - ich mag die Knallhitze sowieso nicht so. Und über Auffahrt war es für mich gerade okay. Auch an Tagen, als es regnete, setzte ich mich in den Liegestuhl nach draussen. Wir haben eine gedeckte Terrasse und mit einer Decke, einem guten Buch und leckerem Kaffee liess es sich auch ein paar Minuten aushalten. Die Zusammenfassung meines letzten Werkes wird hier nächstens veröffentlicht :-).

So, hat gut getan, diesen Wellengang mal zu verarbeiten. Vielleicht hilft das ja auch beim schlafen. Erst von gestern auf heute habe ich fast 10 Stunden geschlafen - durchgehend und ohne Temesta. War bereits früh im Bett und als die Augen zufielen, konnte ich mich anscheinend komplett ergeben. Heute war ich noch mit Pupa unterwegs und bin jetzt fix und foxy. Schaue noch eine Sendung auf dem Handy nach und rufe dann das Sandmändchen zu mir :-).

Es geht zum Glück nicht mehr lange... Und ja, ich bleibe dran. Und oft denke ich mir, wenn ich wütend bin, ob ich genau das mal machen sollte: so richtig ausrasten und tief fallen, um vielen um mich herum die Augen zu öffnen. Weil sie eben so denken wie ich: "zambrottagirlie, die schafft das schon!" Schön, der Glaube anderern in mich. Ich schätze es wirklich. Aber wer kann wirklich in mich hineinfühlen und NACHempfinden, wie schwer und hart das teilweise sein kann? Zwischen sagen und NACHfühlen können, ist ein riesen Unterschied.

Ich denke an den lieben Kommentar zu einem früheren Eintrag. Das ich kämpfe und es irgendwie schaffen werde. Trotz Einbrüche. Aber dürfen die nicht auch sein? Doch. Weil es menschlich ist. Und ich verletzlich.

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