Donnerstag, 6. April 2017

überflüssig

Das Gefühl, überflüssig und unsichtbar zu sein. In meinen Augen eines der schlimmsten Gefühle. Das kann man nicht aushalten. Es geht dabei um das Gefühl der Existenz und wenn man das als Mensch nicht mehr sieht... in meinen Augen eine sehr kritische Situation. Ich persönlich finde diese Gefühle und Gedanken schlimmer, wie wenn ich mich mit Suizidgedanken und Selbstverletzungsgelüsten herumschlagen muss.

So, nun muss dies einfach einmal alles raus. Im Moment ziehe ich mich immer mehr zurück und ich weiss, dass es im Grunde an mir liegt, Kontakt mit meinen Mitmenschen aufzunehmen. Man kann mir nicht hinter die Stirn schauen, ich weiss.

Aber irgendwie bin auch ich ein menschliches Wesen und weiss, wie ich mit meinen Mitmenschen umgehe. Und irgendwie erwarte ich da fast genau das Gleiche von der Gesellschaft. Wobei mir auch da bewusst ist, dass man da viel zu hohe Erwartungen hat und daher dann meist enttäuscht zurückbleibt.

Es ist hart, so als Sensibelchen durch das Leben laufen zu müssen. Es hat seine guten Seiten, aber mich persönlich belastet es aktuell schon fast wieder extrem. Immer diese Gefühlsschwankungen wahrnehmen müssen und dann diese Grübeleien. Gefühle, welche aufkommen und die Anspannung, die dadurch entsteht. Manchmal wäre ich gerne ein Egoist und eher gefühlskalt. Sensibel sein ist ein Segen, ja. Aber es kann auch ein enormer Fluch sein. Und ich bin nun mal so, dass ich von mir aus Dinge nicht anspreche. Aber eigentlich wissen dies ja Menschen in meinem Umfeld ja auch. Und daher finde ich auch, dass der Ball dann bei ihnen liegt. Mehr, wie sagen, wie ich bin und wie ich ticke, kann ich nicht. Und ich sage meinem Umfeld, dass sie mich alles fragen dürfen und können, aber einfach nicht immer eine positive Antwort erwarten dürfen.

Klar, ich weiss, dass ich mir somit viel an Verantwortung wegnehme und den Ball anderen zuschiebe. Aber macht das nicht irgendwann jeder Mensch? Jahrelang ist es anders verlaufen, ich habe nun einfach auch mal die Schnauze voll. Und schlussendlich bin ja ich die, welche mit Grübeleien und Gefühlen zurückbleibt. So schütze ich mich von Beginn an. Darf mich dann aber auch nicht darüber ärgern, dass niemand Interesse zeigt. Ich weiss. Weil ich dann da stehe und von meinen Mitmenschen erwarte, dass sie spüren, wie es mir geht. Was natürlich schwierig ist bei dieser perfekten Maske, welche ich mir schon jahrelang antrainiert habe und natürlich des Öfteren aufsetze. Vor allem in den letzten Monaten.

Man merkt und liest heraus, dass ich vieles weiss. Theoretisch gesehen. Dass es aber in der praktischen Version hadert. Ist nun mal so, kann man nicht ändern. Was soll ich gross gegen das Gefühl ausrichten, welches ich seit bald einem Jahr in mir trage? Dass ich nicht wirklich Teil dieser Gesellschaft bin, mich alleine und eher unscheinbar fühle? Klar, mir scheint es, als freuen sich Menschen, wenn sie mich sehen. Aber dann verpufft es schnell wieder. Man spricht nicht wirklich mit mir und natürlich fühlt sich dann mein unsicheres und unsichtbares ich bestätigt und zieht sich nur noch mehr zurück.

Aber ich schweife schon wieder zu sehr ab.

Klar, es gibt auch schöne Momente. Vor allem Schila scheint zu merken, dass mein Lebensplan (ganz ehrlich) in zwei Wochen eher Richtung Abschluss geht. Ich habe etwas im Ausland vor, also eigentlich einen Shoppingtrip. Und mein Necessaire wird auch mit dabei sein. Sie war in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch in meinem Bett. Eigentlich eher ungewohnt. Zum Schlafen geht sie immer zu meinen Eltern ins Zimmer. Am Dienstag kam ich nach dem Volleyball am Abend nach Hause und sie begrüsste mich freudig. Ich ging duschen und als ich in mein Zimmer kam, war ich doch erstaunt, als sie sich auf meinem Bett ausgebreitet hatte. Ich liess sie gewähren und schaute noch eine Folge Britt auf meinem Handy. Eigentlich wissend, dass sie vielleicht währenddessen aufsteht, an der Tür kratzt und raus möchte. Nichts dergleichen. Als ich die Tür öffnete, um mich definitiv bettfertig zu machen, ging ich erneut ins Zimmer und war wieder erstaunt, dass sie immer noch da lag. Ich gab klein bei und so durfte sie bei mir schlafen. Sie blieb die ganze Nacht, kratzte nie an der Tür oder bettelte nie bei mir, dass sie raus wolle. Es war ein schönes Gefühl und gestern hatte ich frei. So verbrachten wir nochmals den ganzen Tag zusammen. Ein tolles Tier, dieser Hund.

Aber auch wildfremde Menschen zaubern mir ein Lächeln ins Gesicht. Ich weiss nicht, warum es wildfremde Menschen sind, welche es schaffen. Klar, meine Freunde und mein Umfeld vermittelt mir auch das Gefühl, sich über und für mich zu freuen und ja, ich spüre auch teilweise Verbundenheit mit einigen… aber irgendwie ist da das Gefühl teilweise wieder so schnell verpufft. Ich weiss nicht, ob es an meinem Kritiker liegt, an meiner Unsicherheit oder an diesem Gefühl, eine Last und eher Unscheinbar für meine Gesellschaft zu sein. Ich kann es nicht erklären. Jedenfalls fuhr ich gestern bei einem Laden auf den Parkplatz und stellte Baby Blue ab. Ich habe aktuell die Radzierkappen in Pink und Grün auf den Felgen. Wollte eigentlich zu Golden und Chrom wechseln. Hatte bis dato keine Lust und keine Zeit. Ich lief zu den Einkaufswagen und da kam schon eine ältere Dame angewackelt. Grinste mich breit lächelnd und mit funkelnden Augen an und meinte: „Sie Fräulein, das muss ich jetzt scho ganz ehrlich säge. Das gfind ich aber lässig! Ihri bunti Räder sind e ganz e tolli Sach! Ich bin richtig begeisteret! Das gfind ich aber schön, dass sie so umenandfahret! Sie hend mer jetzt e richtigi Fröid bereitet!“

Ich stand da. Baff. Bedankte mich für das Kompliment und war natürlich danach doch ein wenig heiter. Für mich persönlich gehört es ja zu mir, meinem Charakter und meiner Persönlichkeit. Es sieht sehr düster in mir aus, mal mehr und mal weniger. Aber ich bin gegen aussen in gewissen Dingen doch sehr extrovertiert. Was sich im Kleidungsstil, an meinem Auto und meinen Haaren sehr gut abzeichnet. Wobei ich bei meinen Haaren langsam eher wieder vom Roten weg in Richtung Schokoladenbraun möchte. Warum auch immer, ich verstehe mich da selbst nicht.

Im Moment meide ich bestimmte Personen bewusst. Oder habe ich mir vorgenommen, bewusster zu meiden. Weil halt doch etliche Dinge vorgefallen sind.

Vielleicht liegt es auch an meiner Vergangenheit oder meiner Generation. Es ist nun mal so, dass ich diesen Körperkontakt zwischen weiblichen und männlichen Freunden nicht gewohnt bin. Klar, mit Aline gab es das auch ab und zu und mit Laura kenne ich es ebenso. Aber ansonsten war das eher immer weniger ein Thema bei mir. Es ist mir halt schon aufgefallen, dass die heutige Zeit da weniger Distanzen in Sachen Körpernähe und Häufigkeit davon kennt.

Ich als Teenie kann mich nicht daran erinnern, dass ich gross Körperkontakt mit Freundinnen und Kollegen ausgetauscht habe. Es war eher so, dass Mädels mit Mädels und Jungs mit Jungs unterwegs waren. Es gab kaum Berührungspunkte. Ich persönlich habe dieses Thema erst seit etwa fünf Jahren kennen lernen dürfen. Manchmal waren es schöne Erfahrungen, dann wieder verwirrende bis eher für mich belastende. Aber ich kenne mich und ich weiss, dass mein Handeln viel an Gegenhandeln heraufbeschwört und umgekehrt geht es weiter so. Ist mir alles bekannt. In der Theorie bestehen bei mir keine Probleme. Ich weiss mehr bzw. mir ist mehr bewusst, wie es den Anschein macht. In Sachen Theorie war ich schon überall gut. Sei es in Sachen Sex, Depressoinen, Borderline und weiteren Themenbereichen in meinem Leben. Da bestand bzw. besteht nie ein Problem.

Aber eben. Die Umsetzung. Die Rückschläge. Die Steine, welche im Weg stehen. Ob es nun Fremde sind oder ich selbst. Ich schinde Zeit, um nicht berichten zu müssen, ich merke es schon wieder.

Es war vor zwei oder drei Wochen. Ich weiss es nicht mehr. Alles hat mit dem Kompliment von Puma begonnen, dass ich schön geschminkt sei. Komplimente von einem Mann. Kenne ich so nicht und irgendwie hat es mich dann doch ein wenig aus der Bahn geworfen. Wie auch ein weiterer Kommentar seinerseits, dass er meinen Bruder gesehen hätte. Diesen Spruch warf er mitten in einem Spiel ein und ich schaute ihn irritiert an. Bevor ich fragen konnte, wo dies denn gewesen sei, ergänzte er lachend: „uf dim profiilbild!“ Ich spürte, dass auch Laura etwas verwirrt auflachte, als sie diesen Spruch mitbekam. Okay, ich lachte mit und befahl mir innerlich, diesen Spruch einfach schnell zu vergessen. Dass es halt einfach mal wieder typisch ist, dass dies mir passiert und dass dies von Puma kommt. Und doch war ich dann am Wochenende darauf mit dieser Aktion im Rücken unterwegs und eher vorbelastet. Meine aktuelle Stimmung und mein Wertgefühl halfen da auch nicht wirklich dabei, mich besser und sicherer zu fühlen.

Es kam das erste Wochenende. Ich war mit der hübschen, blonden, ehemaligen Mitarbeiterin und meiner hübschen, brünetten, aktuellen (und ersten Lehrtochter in meinem Leben) Mitarbeiterin unterwegs. Wir waren bei einem Spiel einer weiteren, ehemaligen Mitarbeiterin. Von den Jahrgängen her sind alle jünger wie ich, aber es macht sich bei diesen eher weniger bemerkbar. Sie sind alle sehr weit und reif für ihr Alter. Wir sassen also da und schauten dem Spiel zu. Mr. Flirty hatte sich auch angekündigt und ich wusste, dass es wahrscheinlich eher ein anstrengender Abend werden wird.

Mir ist auch bewusst, verletzt mich sein Verhalten, weil ich eigentlich gedacht hatte, vielleicht etwas „Besondereres“ in seinen Augen zu sein. Aber ein Mr. Flirty ist nun mal ein charmanter Mann und ich habe schnell festgestellt, dass er zu allen lieb und nett ist. Und doch ist da etwas zwischen uns, das spüre ich einfach heraus. Ich kann es einfach nicht wirklich benennen. Es macht es nicht einfacher, dass er die blonde, hübsche Kollegin immer wieder als „seine Traumfrau“ betitelt und immer wieder Sprüche kommen, dass sie sich bei ihm melden solle, wenn es mit dem jetzigen Freund nicht mehr klappe. Wann sie endlich ein Date hätten und so weiter. Ja, es sind flapsige Sprüche und wir in dieser „Kollegenrunde“ sind uns die gewohnt. Und doch schmerzt es, wenn man als ich daneben steht und einfach einmal mehr merkt, was Männer anscheinend wirklich wollen. Und es ist nun mal so, dass diese blonde Kollegin wirklich sehr hübsch ist. Eine super tolle Frau, wunderschöne Figur und halt einfach eine Traumfrau. Das ist Fakt. Aber ständig noch die Sprüche dazu hören zu müssen… ist für mich persönlich einfach eher schmerzhaft. Und ich weiss nicht, ob sich die Brünette in der Gruppe da auch teilweise eher unwohl fühlt. Ich habe sie nicht danach gefragt. Wahrscheinlich eher weniger, wenn sie ein gesundes Selbstbewusstsein hat. 

Es kam die erste Pause und ich sass bei der Tribüne ganz aussen. Plötzlich bemerkte ich einen Klammergriff um mein Fussgelenk und schaute erschrocken nach unten. Da stand Mr. Flirty und blickte grinsend hinauf. Neben ihm sein Kollege und beide meinten, ob wir später auch noch weiter in eine Bar kämen. Wir sagten zu.

Das Spiel war dann mal fertig und so fuhren wir los. Zu dieser Bar. Es war zu Beginn okay, wir bestellten etwas zu Essen und quatschten ein wenig. Naja, bis da wieder die eindeutigen Sprüche seitens Mr. Flirty kamen und sich an die blonde Kollegin richteten. Später dann fragte er die Brünette, wie es denn in ihrem Liebesleben so ablaufen würde. Diese antwortete und fragte bei ihm nach und auch da kam seine Antwort. Es blieb ruhig in der Runde. Es hatte sich ja irgendwie herausgestellt, dass sein Kollege ebenfalls Single ist und alle wussten ja, dass die blonde Kollegin vergeben ist. Nach ein paar Sekunden wurde der Vorschlag in den Raum geworfen, Dart zu spielen. Ich sass da. Ja, ich hätte keine schlaue Antwort gehabt auf die Frage, wie es bei mir in Sachen Liebesleben und Männer aussieht. Ja, es wäre mir unangenehm gewesen. Aber trotzdem sass ich da und dachte mir: okay, scheint niemanden zu interessieren. Bei zambrottagirlie läuft ja eh nie etwas. Da muss man schon gar nicht mehr nachfragen! Ich habe mich wirklich in meinem Gefühl der Unsichtbarkeit bestätigt gefühlt.

Naja, wir spielten dann Dart. Sofort suchte Mr. Flirty da den Körperkontakt mit der blonden Kollegin (also, wenn ich einen Freund hätte, würde ich schon längstens mal etwas sagen), aber es scheint halt in der aktuellen Zeit unter Kollegen so zu sein. Schnell hatte ich das Gefühl, dass sich das Vierergespann immer mehr fand und ich einfach übrig blieb. Und ich bin nun mal so: wenn ich das merke, ziehe ich mich zurück. Dann geht einfach gar nichts mehr.

Ja, ich bin eine eigenständige Frau. Und ja, mir muss man in Sachen Dart, Bowling und Billiard als Mann nicht mehr wirklich viel mehr beibringen. Ich glaube, vielleicht lag es auch daran, dass ich da halt sehr gut darin bin und nicht „Hilfe“ benötige. Wie auch im Volleyball. Ich bin eine Frau mit harten Aufschlägen und ich liebe es, wenn scharfe Bälle auf meine Hände prallen oder ich meine Abnahme bei einem harten Smash beweisen muss. Ich kenne da keine Scheu. Vielleicht denkt sich da ein Mann halt schnell, dass ich keine Unterstützung (also keinen Helferinstinkt) benötigte.

Es kam der Vorschlag nach Bowling. Ich sagte etwas wiederwillig zu. Im Wissen, dass mein Gefühl der Unsichtbarkeit wahrscheinlich eher verstärkt werden würde. Betonte aber, dass ich früh ins Bett müsse, viel Programm am Sonntag. Die brünette Kollegin meinte ebenfalls, einfach nicht zu lange. Wir fuhren in der Region zur Bowlingbahn und mussten etwas warten. Wir spielten also zuerst am Kickerkasten. Wie es der Zufall wollte, hatte ich gerade einen guten Lauf und Mr. Flirty war begeistert über mein Können. Wir gewannen haushoch. Die blonde Kollegin und ich wechselten uns dann ab und waren mit ihm in einem Team. Wir gewannen bestimmt vier Mal haushoch gegen seinen Kollegen und meine brünette Kollegin. Es machte Spass und ich blühte ein wenig auf.

Wir machten eine Trinkpause und der Kollege wollte der blonden Kollegin unbedingt ein Bier ausgeben. Und ja, ich verstehe da die Männer: sie ist wirklich eine natürliche Schönheit und sie kann ja nichts dafür. Und doch merkt man halt da ihr junges Alter – ich hätte als vergebene Frau vielleicht schon eher einmal die Handbremse gezogen. Weil man sendet halt doch gewisse Signale aus und wenn man zu jedem nett ist… ich weiss ja nicht. Aber auch da hat jeder Mensch seine eigenen Ansichten und seine eigene Einstellung zum Thema. Mr. Flirty hatte einen anderen Kollegen erblickt und plauderte ein wenig mit dem und die brünette Kollegin stand dann auch bei einer Gruppe. Mr. Flirty’s Kollege, die blonde Kollegin und ich standen dann an einem Billardtisch gelehnt. Ich war eher der Part, welcher zuhörte und kramte ein wenig in meinem Portemonnaie herum. Erblickte noch einmal zwei 1-Fränkler und meinte freudig in die Runde, dass man ja noch einmal Kickern könne.

Meine blonde Kollegin stimmte begeistert zu, der Kollege meinte nur flapsig: „Klar wotsch du das. Würd ich au welle, wenni immer gwünne würd. Nei, ohni mich.“ Es hatte keinen wirklich scherzhaften Unterton mit dabei und wenn es als Scherz gemeint war, kam es für mich nicht so rüber. Es fühlte isch wahrhaftig wie eine Ohrfeige an. Ich glaube, die blonde Kollegin merkte an meiner Reaktion, dass mir seine Antwort so gar nicht gefallen hatte. Ich zuckte einfach mit meinen Schultern, murmelte ein: „denn halt nöd“ und vergrub meine Münzsammlung wieder in mein Portemonnaie. Sie meinte noch, dass wir bestimmt noch zu einem Spiel kommen würden. Keine zehn Sekunden später waren wir zum Glück wieder komplett, meine Stimmung solala und als Mr. Flirty zum Kickerkasten wollte, war dieser besetzt. So gingen wir zum Zeitvertreib zu den anderen Flipperkasten und Tataaaaaa: es stellten sich zwei Gruppen aus je einem Mann und einer Frau zusammen und zambrottagirlie stand da und schaute zu. Super. Danke auch. Am liebsten wäre ich da schon gegangen.

Es ging zum Bowling. Naja, dort lieferte eine zambrottagirlie ordentlich ab. Wenn ich spiele, dann richtig. Und ja, auch da merkte man, dass ich in diesen Dingen selbstständig bin. Mr. Flirty meinte, ich hätte einen ordentlichen Schuss drauf und ich bedanke mich einfach unsicher lächelnd. Was sollte ich auch sagen? Dass ich nun mal nicht die hilflose, zierliche Frau bin, welche bei Männern den Helferinstinkt weckt?

Ich merkte, wie Mr. Flirty mit beiden Ladies blödelte. Mal hie und mal da einen Körperkontakt startete. Gespräche geführt wurden. Sein Kollege wollte wissen, ob die blonde Kollegin Geschwister habe. Wie es bei der brünetten Kollegin aussehe. Ich sass daneben und wartete auf die Frage. Kam keine. Ich schüttelte innerlich den Kopf und dachte mir einfach gar nichts mehr dabei. Für mich war es einfach schon gelaufen. Ich lachte bei gewissen Sprüchen natürlich mit und doch war ich eher ruhig. Komisch ist einfach, dass, sobald ich mal bei Mr. Flirty einen Annäherungsversuch starte, dieser auch erwidert wird. Es ist nicht so, dass er dann auf Abstand geht. Es scheint mir nicht so, als würde er diesen abblocken, nein, sondern gerne erwidern. Und er hat nach einem Strike auch nach meiner Hand verlangt und diese so komisch in seine Hand gelegt und dann so getan, als würde er sie „auspeitschen“, weil sie so gut unterwegs sei. Und ich kenne das halt doch auch von mir. Auch ich traue mich bei gewissen Menschen nicht, die Initiative in Sachen Körperkontakt zu starten. Dann lasse ich es lieber sein. Aber sobald diese von den Menschen kommt, erwidere ich sie umso lieber. Ich bin nun mal schüchtern, was man gegen aussen im ersten Moment vielleicht so gar nicht denkt.

Mr. Flirty hat eben auch schon gemeint, dass er eher schüchtern ist. Wenn ihm jemand gefällt. Und irgendwie war er dann mit seinen Sprüchen halt doch eher als der Charmbolzen in der Gruppe bekannt. Und auch ich bin gegen aussen kommunikativ und man würde mich nie als schüchtern einordnen. Aber sobald es um Männer geht, bei denen ich doch anders wirken möchte, geht gar nichts mehr. Daher kann es schon ganz gut sein, dass auch er da ein wenig wie ich tickt.

Und doch, in erster Linie habe ich an diesem Abend nur erkannt, dass er meine beiden Kolleginnen eher mag, wie mich und das ein Abend ohne mich so gar keinen Unterschied gemacht hätte.

Die beiden Jungs wollten in eine weitere Bar. Mr. Flirty fragte zuerst die brünette Kollegin, ob sie mitkommen würde. Sie verneinte. Dann die blonde. Diese war noch unsicher. Wollte wahrscheinlich meine Antwort abwarten. Es war schon wieder ruhig und innerlich brodelte ich. Dachte mir, dass ich natürlich wieder als letzte gefragt werden würde und das bestimmt niemand Bock auf meine Anwesenheit hätte. Und wenn man fragen würde, wäre es nur aus reiner Höflichkeit. Wir liefen ein paar Schritte und da meinte Mr. Flirty: „Aber du chunnsch, zambrottagirlie?“ Wie aus der Pistole geschossen kam von mir: „Nei. Ich muess wükki au langsam hei.“ Am liebsten hätte ich gefragt, ob meine Anwesenheit einen Unterschied machen würde. Und als letzte Wahl keinen Bock darauf hätte. Okay, vielleicht übertreibe ich es, aber kann man sich das nach einem solchen Abend nicht denken, dass ich einfach wirklich davon ausgegangen bin, das fünfte Rad am Wagen zu sein? Der Kollege meinte noch, dass er nur kommen würde, wenn meine blonde Kollegin auch mit von der Partie sei. Innerlich schüttelte ich auch da den Kopf und dachte mir: na klar, die blonde, hübsche Kollegin. Es ist nicht ihr gegenüber böse gemeint. Ich bin froh, kenne ich sie und sie ist ein herzensguter Mensch. Ich mag es, Zeit mit den beiden Frauen zu verbringen. Aber es fühlt sich irgendwie auch nicht schön an, als Frau immer abgewiesen zu werden. Und dies so offenbar kommuniziert zu bekommen.

Während die blonde Kollegin noch überlegte, begannen die brünette Kollegin und ich uns zu verabschieden. Was sollte ich da noch lang mithören. Als ich wegfuhr, sah ich, dass die Gruppe sich ebenfalls getrennt hatte. Ich schrieb den Abend einfach ab. Es tat aber meinen Gefühlen nicht wirklich gut.

An diesem Wochenende war sowieso noch ein Vorfall, in dem ich mich von meinen Eltern in meiner Entscheidung übergangen gefühlt hatte. Es hat sich also einiges angestaut. In Sachen Therapie hatte ich über eine Aussage meiner Therapeutin auch noch die Schnauze voll und ja, es ist dann schwierig, sich von all diesem Scheiss abgrenzen zu können.

Ich wusste, dass ich der Gruppe am Freitag wieder begegnen würde. Eine Mitarbeiterin hatte ihren letzten und uns alle in eine Bar eingeladen. Ich überlegte also schon zu Beginn der Woche, ob ich daran teilnehmen wollte, oder nicht. Genau mit dem Wissen, was es wieder alles in mir auslösen würde. Ich wollte ganz klar auf Distanz. Ja, ein Abend hätte mir auch das Gegenteil beweisen können. Aber ich fühle mich ja sonst schon so unsichtbar und wenn ich an einem Abend Bestätigung (in meinen Augen durch welche Art auch immer) erhalten hätte, würde es nur schwieriger werden. Ich weiss, es ist wirklich schwer nachvollziehbar. Aber es ist ja nicht seit gestern so, dass ich mich unscheinbar fühle. Und ich hatte monatelang Zeit, Bestätigungen einzusammeln. Und dieser Selbsthass und dieser Kritiker sind extrem stark und gut darin, mich immer schlechter fühlen zu lassen. Und irgendwann einmal habe selbst ich nicht mehr die Lust, dagegen anzukämpfen. Da sind dunkle Gedanken einfach der leichtere Weg. Ich habe einfach keine Kraft mehr für und keinen Bock mehr auf weitere 30 Jahre in diesem Zustand.

Einzig das Hungern ist im Moment stabil und gibt mir „Kraft“. Ich spüre, wie mein Körper sich verändert und ich übertreibe es mit Schwimmen und Volleyball. Da funktioniere ich einfach. Keine Gedanken, keine Gefühle. Da klappt es. Und das benötige ich. Einfache Dinge die so laufen, wie ich will. Lange hatte ich das Gefühl, dass sich durch das  Hungern nicht viel ändert. Viele Menschen erzählen immer von neuen Hosen und Blusen, sobald sie ein paar Kilo zu- oder abnehmen. War bei mir nie der Fall.

Nun das erste Mal bewusst geworden ist es mir beim Hosenkauf in der letzten Woche. Dass ich da wirklich 1 (bis mittlerweile fast knapp 2) Kleidergrössen verloren habe. Vor allem der Bauch ist extrem zurückgegangen.

Es kam der letzte Freitag. Ich war wirklich lange unschlüssig, ob ich gehen würde. Es fragten einige nach, aber ich dachte mir einfach, dass sie dies einfach so machen würden. Ich weiss auch nicht, warum ich dann doch Vorbereitungen traf und schlussendlich spätabends doch noch dort eintraf. Und auch da hatte ich das Gefühl, dass sich Menschen freuen, mich zu sehen. Dass ich auch mit dabei war. Ich begrüsste einen nach den anderen und als ich mit der brünetten Kollegin kurz etwas besprechen wollte, zog mir plötzlich jemand an den Haaren. Mr. Flirty stand da und schien etwas vor mir zu verstecken. Ich gab ihm die drei obligatorischen Küsschen und irgendetwas zeigte er mir dann. Ich kam nicht wirklich nach, was genau. Ich gab mich eher etwas reserviert und beobachtete die Runde. Begrüsste noch ein paar andere und hörte der Musik zu. Hatte ständig das Gefühl, die blonde Kollegin wollte mich ansprechen, traute sich aber nicht. Und auch an diesem Abend merkte man einfach, wie die Männerwelt „Freude“ an ihr hat. Und ich kann es verstehen. Sie ist wirklich eine natürliche Schönheit und doch ist es als Danebenstehende nicht immer einfach. Ich glaube, es wäre einfacher, wenn ich nicht so vorbelastet wäre in Sachen Männer. Wenn ich das Flirten bzw. das Anmachen auch vermehrt erleben würde. Wenn es „ausgeglichener“ wäre. So hat man einfach jedes Mal die Bestätigung, dass man wirklich unsichtbar ist und halt einfach nicht wirklich der Typ, auf den Männer stehen.

Es kam, wie es kommen musste. Plötzlich standen Mr. Flirty, die blonde und die brünette Kollegin sowie ich in einer Runde. Es war wirklich eher eng und irgendwie stand ich Mr. Flirty direkt gegenüber. Ich habe keine Platzangst, aber fühlte mich nicht wirklich wohl und als ich wieder bemerkte, wie er mit der brünetten sowie blonden Kollegin herumwitzelte und tänzelte (nur ich aussen vor blieb), ging der Laden schon runter. Ist ja klar, dachte ich mir. Warum auch sollte er sich die Blösse geben. Aussen vor belasse ich dabei immer, ob ich überhaupt mitgemacht hätte oder nicht. Aber ich hatte einfach eine Bestätigung mehr. Irgendwie ergab es sich dann, dass die blonde Kollegin etwas bei der Bar abladen wollte und ich neben Mr. Flirty stand und irgendwie lief es ganz komisch ab, dass sich plötzlich die blonde Kollegin neben mir befand und sich ein Kreis schloss. Einzige aussen vor war ich.

Und ja, jeder andere Mensch hätte vielleicht darüber gelächelt. Aber für mich war es einfach ein Schlag ins Gesicht. Es ging einfach gar nichts mehr und ich wollte einfach nur weg. Ich ging Richtung Toilette und atmete da einfach ein paar Mal tief durch. Und als ich wieder von der Toilette hoch kam, wollte ich nicht zur Gruppe zurück. Ich benötigte einfach ein paar Minuten für mich. Ich, ein Getränk und meine Ruhe.

Ich weiss nicht mehr, ob es lange dauerte oder nicht. Ich habe nicht auf die Uhr geschaut. Aber plötzlich standen die zwei Kolleginnen neben mir und meinte, sie hätten mich gesucht. Ich lächelte etwas verschämt entschuldigend, sagte aber nichts weiter. Sie wollten sich dann hinsetzen und ich schloss mich ihnen an. Mr. Flirty war schon wieder in der Bar unterwegs, er war sowieso eher weniger bei uns. Aber wenn, dann hatte ich jedes Mal das Gefühl, dass ich einfach anders behandelt werde. Und ich kann es einfach nicht zuordnen und solche Dinge sind einfach nicht wirklich einfach für mich. Ich kann damit nicht umgehen. So bin ich nun mal gemacht.

In der Zwischenzeit hatten sich zwei weitere Herren dazugesellt. Ganz nette, junge Männer. Beide hatten Freude an der blonden Kollegin (was auch sonst ;-)) und ja, ich war erstaunt, wie ich doch ein paar Sprüche auf Lager hatte. Meine Blonde Kollegin meinte, dass der einte Typ keine Distanz kennen würde beim Reden – „de chunnt mer extrem nöch, zambrottagirlie!“ Naja, ich erwiderte ihr lachend, dass die junge Generation in meinen Augen Körperdistanz an sich nicht wirklich kennen würde. Es war alles okay, bis der einte – wenn auch wirklich ungewollt – sein Bier über meinen Unterarm und etwas auf die Hose schüttete. Er entschuldigte sich sofort und was sollte ich gross anderes sagen, wie, dass es schon okay sei. Innerlich aber dachte ich mir nur, dass es ja wieder typisch ist, dass genau ich übersehen werde. Es musste ja so kommen! War ja klar, dass man über mich das Bier schüttet. Ich hatte keinen Bock mehr. Und als der Typ meine beiden Kolleginnen immer mehr vereinnahmte und ich einfach da sass, stand ich auf, holte meine Jacke und begab mich wieder zur Gruppe. Meine Kolleginnen meinten sofort, sie hätten mich schon wieder vermisst und was ich mit der Jacke wolle? Ich meinte, es sei Zeit zum Gehen.

Ich begann mit der Runde, die meisten meinten „ach, wie schade!“ und innerlich dachte ich mir nur: „Jaja, wie schade. Aber keinen ganzen Satz habe ich mich euch gewechselt“. Naja, das Beste an diesem Abend war dann ja der gewisse Mitarbeiter. Der hatte ordentlich gebechert und als ich am Abend gekommen war, hatte der solche Freude daran gehabt. Beim Abschied meinte er nur, wie schade es doch sei und anstatt mir die Küsschen auf die Wange zu geben, liess der sich richtig auf mich sinken! Ich stand da, total perplex und er lehnte sich mit seinem Kopf so richtig an meiner Schulter und umarmte mich. Es würde sich alles drehen, meinte er. Ich klopfte ihm auf die Schulter und meinte nur: „Denn trüll dich mit!“, schob ihn von mir und verabschiedete mich auch vom Rest.

Ich weiss, im Nachhinein und auch während dem Tippen ist mir vieles aufgefallen. Vor allem in Sachen Ursache und Handlung und der daraus wieder entstehenden Handlung. Ich hatte sowieso schon das Gefühl, unsichtbar zu sein. Mein Kritiker hatte in seinen Augen viele Bestätigungen und da konnte man mir ja schon fast nicht mehr das Gegenteil beweisen. Für mich war dann alles eine Bestätigung. Ich weiss. Ich weiss es ganz genau. Und auch während dem Tippen ist es mir wieder bewusst geworden.

Wie gesagt. Theoretisch ist mir vieles bewusst. Aber ich habe einfach keine Kraft mehr auf diesen ganzen emotionalen Stress und diesen Stuss. Auf diesen ständigen Kampf und uäch. Ich will einfach nur funktionieren. Einfach nur das.

Heute Abend ist Abschied von der Sportkollegin angesagt. Die brünette Kollegin hat mich schon angefragt, ob ich auch komme. Aber ich werde bewusst nicht dorthin gehen. Es tut mir leid, aber ich brauche von gewissen Menschen einfach Abstand. Und das zählt aktuell Mr. Flirty. Klar, ich überlege, ob ich sie morgen doch nach der Arbeit kurz noch umarmen gehen soll – sie geht drei Monate ins Ausland. Aber auch da arbeitet sie mit Mr. Flirty in einem Büro. Und ich muss mir einfach immer wieder selbst sagen: was würden diese Menschen im Gegenzug für mich tun? Und ich entscheide mich heute für mich. Und mein Seelenwohl. Wie das auch immer aussieht. Aber es ist einfach so, wie sich danach wieder mit Gefühlen und Grübeleien auseinandersetzen zu müssen.

So, das musste dringend raus. Und ich werde mich dafür nicht entschuldigen, weil es meine Plattform ist und es danach aussieht, als wäre dies schon lange dringend nötig gewesen. Anvertrauen kann ich es kaum jemandem. Schon gar nicht meiner Therapeutin. Weil ich mich in diesem Bereich (vor allem Männer) von ihr nicht verstanden fühle. Eher in die Ecke gedrängt.

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