Dienstag, 25. April 2017

colognia

Als es anfangs Januar so turbulent im Geschäft war, entschloss ich mich, mir nach diesen drei Monaten etwas Gutes zu tun. Was hilft mir persönlich mehr, wie ausgiebiges Shoppen? Und in Köln war ich bereits und habe gute Erfahrungen in Sachen Grosse Grössen gemacht.
 
Naja, ich wusste im Januar noch nicht, wie gross dann der Gewichtsunterschied deutlich sicht- und spürbar sein würde. Item. Ich buchte und freute mich darauf. Durch weitere Umstände legte sich ein dunkler Schleier über diesen Plan Köln und ich wollte eigentlich mit klaren und nicht wiederrufbaren Absichten da hinaus.
 
Bis ich kurz vor der Zwangseinweisung stand und mich dann doch fürs Reden entschloss. Deal war, dass ich mich täglich bei meiner Therapeutin melde und mich an eine Vertrauensperson wende. Und so ging es dann am Donnerstagmorgen los.
 
Ich war natürlich hin- und hergerissen. Da war der Teil, welcher sich bewusst fürs Leben entschieden hat, aber einfach keine Kraft und keinen Bock mehr auf das alles hat. Es sind nicht mehr einzelne Situationen, welche mich belasten. Das habe ich dann auch in Köln gemerkt. Es geht vor allem um alle Umstände und die Vorstellung, so weiterleben zu müssen. Die Zwischenmenschliche Situationen, welche teilweise auch verdammt schwierig sind und natürlich auch das Hadern mit der Vergangenheit. Und vielleicht ist es für eine Frau ab 30 sowieso noch schwerer. Vor allem, wenn man seine Lebenspläne mit dem Hier und Jetzt vergleicht.
 
Die Fahrt verlief sehr gut. Naja, ich meine – Autobahn in Deutschland, was soll man da gross noch erwähnen :-). Ich habe es ordentlich ausgenutzt und es war halt doch Adrenalin pur. Natürlich habe ich mich bei Beschränkungen daran gehalten, Sicherheit geht vor. Und nur, weil man das Gaspedal durchdrücke kann, heisst es nicht, dass konstant 220 gefahren werden muss :-p.
 
Nach knappen 5 Stunden und 30 Minuten fand ich dann das Hotel. Ich hatte schon im Internet die guten Bewertungen gesehen und war dann im Hotel selbst wirklich positiv überrascht. Und ja, die Kölner bzw. Rheinland-Westfahler sind halt doch „harte Schale, weicher Kern“. Ich mag deren lebenslustige Einstellung und sie waren wirklich überall sehr freundlich und eben, die Sprüche kommen teilweise trocken – aber stets mit einem Lächeln oder Augenzwinkern.
 
Kaum das Zimmer bezogen, ging es auch los zum ersten Einkaufszentrum. Und weil ich Zeit hatte, später auch noch nach Bochum. Dort war ein Jahresmarkt und irgendwie hatte ich die Einkaufsmöglichkeiten dort auch ordentlich unterschätzt. Und eben, dass mir in den normalen Abteilungen nun teilweise gewisse Kleidungsstücke doch auch passen. Das machte alles noch einen Ticken schwieriger.
 
Ich bin aktuell auf dem Zug der „Patches“ aufgestiegen. Sticker auf Jacken tun es mir vor allem sehr an. Nur haben mir die bereits bestickten Jacken nicht wirklich gefallen. So habe ich nun eine verrissene Jeansjacke, eine Jacke in einem Rosa und einen Parka in Oliv ergattert, welche ich mit selbst gekauften Patches selbst verzieren werde. Das wird hoffentlich gut gehen :-).
 
Am Freitag war dann sowieso Shopping in Köln geplant. Das Wetter war nicht wirklich gut und so verbrachte ich dann den Nachmittag noch in der Nähe von Mönchenglattbach. Die Fahrt ging über Wälder und Stock und Stein (hatte bewusst das NAVI so eingestellt) und somit habe ich doch noch etwas von der Umgebung gesehen.
 
Für Samstag war eine Demo in Köln angesagt gewesen. Ich ging trotzdem – diesmal nicht mit dem Auto (ei, war das am Freitag ein Erlebnis gewesen, wuhu :-)… Da ist Zürich ein Dorf dagegen…), sondern mit der S-Bahn. Keine 20 Minuten und ich stand beim Kölner Dom. Der Hauptbahnhof war wie leergefegt. Es hatte kaum Touristen oder Fussgänger, dafür umso mehr Polizisten. Ich persönlich habe mich sicher gefühlt, stand aber irgendwie ganz in der Nähe der Demo. Habe aber nichts mitbekommen. Auch dort lief ich dann Richtung Brücke und über den Rhein (eine bekannte, an der so viele Liebesschlösser befestigt sind). Danach bin ich noch ein wenig durch die Gassen geschlendert und habe die Sonnenstrahlen, welche es alle paar Minuten doch durch die Wolken geschafft haben, genossen. Nachmittags war ich dann noch in der Region unterwegs – in verschieden angesetzten KIK-Filialen. Eben, man soll selbst seine eigene Meinung zu dieser Marke bilden. Ich habe drei super Funktionsjacken für 75 Euro gefunden und eine Latzhose, welche einfach modern ist und gut sitzt. Und in Sachen Hosen möchte ich aktuell nicht wirklich viel Geld ausgeben, weil ich nicht weiss, wohin mein Gewicht schwankt.
 
Eben, in vielen Läden passe ich aktuell in eine 44/46 oder in eine L-Grösse (je nach Schnitt sogar eine M – habe eine verdammt coole Bomberjacke gefunden). Noch total ungewohnt für mich, denn oft konnte ich zum Beispiel bei C&A blind zur XL greifen und das Shirt passte dann irgendwie schon. Nun musste ich aufpassen, dass es nicht sackartig aussieht und war dann doch teilweise froh, hatte ich ein Shirt kurz probiert, anstatt es einfach so ab der Stange mitgenommen.
 
Schuhe gab es keine. Dafür viele schulterfreie Blusen. Und ja, gegessen habe ich halt auch eher viel zum Frühstück. Das Buffet des Hotels war mega und die Menschen wirklich sehr lieb und zuvorkommend. Spätestens da hätte ich so meine Zweifel ab meinem einstig getroffenen Plan gehabt. Vor allem, weil ich ja in einen Suizid nie andere Menschen mitinvolvieren wollte. Und natürlich wären diese die ersten gewesen, welche mich morgens gefunden hätten. Und ich möchte dies einfach niemandem zumuten. Und ja, es schien mir auch so, als hätten sie ihre Freude an mir gehabt. Es war wirklich ein cooles Team und sollte ich jemals wieder nach Köln düsen, werde ich mich wieder dort einquartieren.
 
Die Rückfahrt stellte sich dann als sehr schwierig heraus. Nicht, wegen dem Weg an sich, sondern emotional. Es gab da natürlich den Teil in mir, welcher einfach fand, dass ich eine schwache Person bin. Weil ich nicht den Mut hatte, es durchzuziehen.
 
Der andere Teil war… ich kann es nicht beschreiben. Es war alles so zweigeteilt. Und es ist nicht zum ersten Mal so, dass ich mich weit weg von der gewohnten Umgebung einfach so viel besser fühle, wie hier.
 
Ich habe hier liebe Menschen um mich herum und meine Familie. Ich bin überzeugt, dass ich all die Menschen liebe. Aber… ich selbst sehe mich als eine Belastung für mein Umfeld und bin ja mit mir nicht wirklich sehr „lieb“. Selbstwert eher Richtung null und Selbsthass sehr hoch. Ich habe über mich selbst kein wirklich gutes Bild von mir und natürlich macht dies es nicht leichter, sich als wertvollen Teil des Umfeldes zu sehen. Es ist daher schwierig, dieses Gefühl auch bewusst wahrzunehmen.
 
Und ich habe es in Köln mal wieder gemerkt – ich fühle mich überall besser, freier und leichter, wie hier. Vor allem stimmt das Gefühl des Alleinseins auch mit den Tatsachen überein. Ich bin dann wirklich alleine in einer grossen Stadt und einmal mehr habe ich mich einfach gefragt, ob so eine ruckartige und kurz entschlossene Auswanderung nicht doch das richtige für mich wäre. Oder einfach ein Jahr Auszeit. Irgendwo anders arbeiten und leben. Fern ab von allem.
 
Nicht falsch verstehen – und ich weiss auch nicht, wie es erklären. Ich glaube, zu wissen, dass mich gewisse Menschen hier vermissen würden. Aber es erreicht mich emotional nicht mehr (wirklich). Ich bin so sehr davon überzeugt, ein schlechter Mensch zu sein, dass ich es schon gar nicht mehr annehmen kann. Ich schätze es und finde es schön, wenn Menschen mir sagen, dass sie mich mögen und gerne Zeit mit mir verbringen. Ich kann es in diesem Moment dann auch jeweils annehmen. Aber was danach innerlich für böse Kommentare von mir selbst an mich selbst kommen… es ist unglaublich und einfach anstrengend. Und ja, ich hasse mich dafür. Ich hasse es, dass ich es so erleben muss. Auf der anderen Seite bin ich überzeugt, wird das alles leichter, wenn meine Krise nicht mehr so nah und greifbar ist. Ich hoffe es zumindest.
 
Ich verbringe gerne Zeit mit meinen Liebsten. Sehr gerne sogar. Aber meist fühle ich mich danach eher ausgelaugt. Es ist für mich ein Kraftakt, dieses Zwischenmenschliche. Vor allem diese Vergleiche und Grübeleien währenddessen oder danach. Es macht alles nicht wirklich leichter und natürlich ziehe ich mich dann auch eher zurück.
 
In Köln habe ich einfach einmal mehr gemerkt, dass die Distanz zu allem gut tut. Auf den ersten Blick ja, auf längere Sicht hin wäre es wohl nicht das richtige. Aber ich hatte keine Grübeleien, keine Zweifel, keine Gedanken. Ich war einfach alleine in Köln und es stimmte. Die Ruhe im Kopf. Okay, in Sachen Einkaufsverhalten habe ich total versagt, aber es verwundert mich ganz ehrlich nicht in der aktuellen Situation. So hatte ich auch einen wirklich heftigen Fressanfall von Samstag auf Sonntag, wobei ich bereits von Freitag auf Samstag ordentlich zugeschlagen hatte. Und natürlich hat sich mein Magen dementsprechend gemeldet, ich hatte Bauchschmerzen und jetzt sogar noch nach kaum Nahrungsaufnahme am Sonntag bis jetzt ein enormes Völlegefühl.
 
Köln hat mir persönlich gut getan. Meinem Geldbeutel nicht. Aber es war eine gute, wichtige Auszeit für mich. Und ich werde dies bald mal wieder tun. Aber eben, all diese Gefühle bzw. dieses Wohlgefühl im Alleinsein macht mir natürlich Angst.
 
Auf der anderen Seite muss ich ganz ehrlich betrachtet eingestehen, dass meine Zukunft aktuell doch so aussieht. Ich bin überzeugt, dass alle ihren Weg gehen werden. Nur ich werde in zehn Jahren immer noch alleine meinem Alltagstrott nachgehen. Denn etwas anderes kann ich mir für mich nicht vorstellen. Da wird niemand kommen. Und ich weiss das, irgendwo ganz tief in mir verankert.
 
Und ich weiss auch, dass ich meinen zweiten Entscheid fürs Leben wohl oder übel irgendwann einmal sehr bereuen werde. Ich persönlich sehe aktuell einfach nicht die Zukunft für mich, welche ich mir lange erhofft und ersehnt habe. Und da kann man mir nicht verübeln, dass ich einfach keine Lust, keinen Bock und keine Kraft mehr auf diesen ständigen Kampf habe.
 
Und die ständige Frage nach dem "warum ich?" ist damit auch legitimiert.

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