Als es anfangs Januar so
turbulent im Geschäft war, entschloss ich mich, mir nach diesen drei Monaten
etwas Gutes zu tun. Was hilft mir persönlich mehr, wie ausgiebiges Shoppen? Und
in Köln war ich bereits und habe gute Erfahrungen in Sachen Grosse Grössen
gemacht.
Naja, ich wusste im Januar
noch nicht, wie gross dann der Gewichtsunterschied deutlich sicht- und spürbar
sein würde. Item. Ich buchte und freute mich darauf. Durch weitere Umstände
legte sich ein dunkler Schleier über diesen Plan Köln und ich wollte eigentlich
mit klaren und nicht wiederrufbaren Absichten da hinaus.
Bis ich kurz vor der
Zwangseinweisung stand und mich dann doch fürs Reden entschloss. Deal war, dass
ich mich täglich bei meiner Therapeutin melde und mich an eine Vertrauensperson
wende. Und so ging es dann am Donnerstagmorgen los.
Ich war natürlich hin- und
hergerissen. Da war der Teil, welcher sich bewusst fürs Leben entschieden hat,
aber einfach keine Kraft und keinen Bock mehr auf das alles hat. Es sind nicht
mehr einzelne Situationen, welche mich belasten. Das habe ich dann auch in Köln
gemerkt. Es geht vor allem um alle Umstände und die Vorstellung, so weiterleben
zu müssen. Die Zwischenmenschliche Situationen, welche teilweise auch verdammt
schwierig sind und natürlich auch das Hadern mit der Vergangenheit. Und
vielleicht ist es für eine Frau ab 30 sowieso noch schwerer. Vor allem, wenn
man seine Lebenspläne mit dem Hier und Jetzt vergleicht.
Die Fahrt verlief sehr gut.
Naja, ich meine – Autobahn in Deutschland, was soll man da gross noch erwähnen :-).
Ich habe es ordentlich ausgenutzt und es war halt doch Adrenalin pur. Natürlich
habe ich mich bei Beschränkungen daran gehalten, Sicherheit geht vor. Und nur,
weil man das Gaspedal durchdrücke kann, heisst es nicht, dass konstant 220
gefahren werden muss :-p.
Nach knappen 5 Stunden und 30
Minuten fand ich dann das Hotel. Ich hatte schon im Internet die guten
Bewertungen gesehen und war dann im Hotel selbst wirklich positiv überrascht. Und
ja, die Kölner bzw. Rheinland-Westfahler sind halt doch „harte Schale, weicher
Kern“. Ich mag deren lebenslustige Einstellung und sie waren wirklich überall
sehr freundlich und eben, die Sprüche kommen teilweise trocken – aber stets mit
einem Lächeln oder Augenzwinkern.
Kaum das Zimmer bezogen, ging
es auch los zum ersten Einkaufszentrum. Und weil ich Zeit hatte, später auch
noch nach Bochum. Dort war ein Jahresmarkt und irgendwie hatte ich die Einkaufsmöglichkeiten
dort auch ordentlich unterschätzt. Und eben, dass mir in den normalen
Abteilungen nun teilweise gewisse Kleidungsstücke doch auch passen. Das machte
alles noch einen Ticken schwieriger.
Ich bin aktuell auf dem Zug
der „Patches“ aufgestiegen. Sticker auf Jacken tun es mir vor allem sehr an. Nur
haben mir die bereits bestickten Jacken nicht wirklich gefallen. So habe ich
nun eine verrissene Jeansjacke, eine Jacke in einem Rosa und einen Parka in
Oliv ergattert, welche ich mit selbst gekauften Patches selbst verzieren werde.
Das wird hoffentlich gut gehen :-).
Am Freitag war dann sowieso
Shopping in Köln geplant. Das Wetter war nicht wirklich gut und so verbrachte
ich dann den Nachmittag noch in der Nähe von Mönchenglattbach. Die Fahrt ging
über Wälder und Stock und Stein (hatte bewusst das NAVI so eingestellt) und
somit habe ich doch noch etwas von der Umgebung gesehen.
Für Samstag war eine Demo in
Köln angesagt gewesen. Ich ging trotzdem – diesmal nicht mit dem Auto (ei, war
das am Freitag ein Erlebnis gewesen, wuhu :-)… Da ist Zürich ein Dorf dagegen…),
sondern mit der S-Bahn. Keine 20 Minuten und ich stand beim Kölner Dom. Der
Hauptbahnhof war wie leergefegt. Es hatte kaum Touristen oder Fussgänger, dafür
umso mehr Polizisten. Ich persönlich habe mich sicher gefühlt, stand aber
irgendwie ganz in der Nähe der Demo. Habe aber nichts mitbekommen. Auch dort
lief ich dann Richtung Brücke und über den Rhein (eine bekannte, an der so
viele Liebesschlösser befestigt sind). Danach bin ich noch ein wenig durch die
Gassen geschlendert und habe die Sonnenstrahlen, welche es alle paar Minuten
doch durch die Wolken geschafft haben, genossen. Nachmittags war ich dann noch
in der Region unterwegs – in verschieden angesetzten KIK-Filialen. Eben, man
soll selbst seine eigene Meinung zu dieser Marke bilden. Ich habe drei super
Funktionsjacken für 75 Euro gefunden und eine Latzhose, welche einfach modern
ist und gut sitzt. Und in Sachen Hosen möchte ich aktuell nicht wirklich viel
Geld ausgeben, weil ich nicht weiss, wohin mein Gewicht schwankt.
Eben, in vielen Läden passe
ich aktuell in eine 44/46 oder in eine L-Grösse (je nach Schnitt sogar eine M –
habe eine verdammt coole Bomberjacke gefunden). Noch total ungewohnt für mich,
denn oft konnte ich zum Beispiel bei C&A blind zur XL greifen und das Shirt
passte dann irgendwie schon. Nun musste ich aufpassen, dass es nicht sackartig
aussieht und war dann doch teilweise froh, hatte ich ein Shirt kurz probiert,
anstatt es einfach so ab der Stange mitgenommen.
Schuhe gab es keine. Dafür
viele schulterfreie Blusen. Und ja, gegessen habe ich halt auch eher viel zum
Frühstück. Das Buffet des Hotels war mega und die Menschen wirklich sehr lieb
und zuvorkommend. Spätestens da hätte ich so meine Zweifel ab meinem einstig
getroffenen Plan gehabt. Vor allem, weil ich ja in einen Suizid nie andere
Menschen mitinvolvieren wollte. Und natürlich wären diese die ersten gewesen,
welche mich morgens gefunden hätten. Und ich möchte dies einfach niemandem
zumuten. Und ja, es schien mir auch so, als hätten sie ihre Freude an mir
gehabt. Es war wirklich ein cooles Team und sollte ich jemals wieder nach Köln
düsen, werde ich mich wieder dort einquartieren.
Die Rückfahrt stellte sich
dann als sehr schwierig heraus. Nicht, wegen dem Weg an sich, sondern
emotional. Es gab da natürlich den Teil in mir, welcher einfach fand, dass ich
eine schwache Person bin. Weil ich nicht den Mut hatte, es durchzuziehen.
Der andere Teil war… ich kann
es nicht beschreiben. Es war alles so zweigeteilt. Und es ist nicht zum ersten
Mal so, dass ich mich weit weg von der gewohnten Umgebung einfach so viel besser
fühle, wie hier.
Ich habe hier liebe Menschen
um mich herum und meine Familie. Ich bin überzeugt, dass ich all die Menschen
liebe. Aber… ich selbst sehe mich als eine Belastung für mein Umfeld und bin ja
mit mir nicht wirklich sehr „lieb“. Selbstwert eher Richtung null und
Selbsthass sehr hoch. Ich habe über mich selbst kein wirklich gutes Bild von
mir und natürlich macht dies es nicht leichter, sich als wertvollen Teil des
Umfeldes zu sehen. Es ist daher schwierig, dieses Gefühl auch bewusst wahrzunehmen.
Und ich habe es in Köln mal
wieder gemerkt – ich fühle mich überall besser, freier und leichter, wie hier. Vor
allem stimmt das Gefühl des Alleinseins auch mit den Tatsachen überein. Ich bin
dann wirklich alleine in einer grossen Stadt und einmal mehr habe ich mich
einfach gefragt, ob so eine ruckartige und kurz entschlossene Auswanderung
nicht doch das richtige für mich wäre. Oder einfach ein Jahr Auszeit. Irgendwo
anders arbeiten und leben. Fern ab von allem.
Nicht falsch verstehen – und ich
weiss auch nicht, wie es erklären. Ich glaube, zu wissen, dass mich gewisse
Menschen hier vermissen würden. Aber es erreicht mich emotional nicht mehr
(wirklich). Ich bin so sehr davon überzeugt, ein schlechter Mensch zu sein,
dass ich es schon gar nicht mehr annehmen kann. Ich schätze es und finde es
schön, wenn Menschen mir sagen, dass sie mich mögen und gerne Zeit mit mir
verbringen. Ich kann es in diesem Moment dann auch jeweils annehmen. Aber was
danach innerlich für böse Kommentare von mir selbst an mich selbst kommen… es
ist unglaublich und einfach anstrengend. Und ja, ich hasse mich dafür. Ich
hasse es, dass ich es so erleben muss. Auf der anderen Seite bin ich überzeugt,
wird das alles leichter, wenn meine Krise nicht mehr so nah und greifbar ist. Ich
hoffe es zumindest.
Ich verbringe gerne Zeit mit
meinen Liebsten. Sehr gerne sogar. Aber meist fühle ich mich danach eher
ausgelaugt. Es ist für mich ein Kraftakt, dieses Zwischenmenschliche. Vor allem
diese Vergleiche und Grübeleien währenddessen oder danach. Es macht alles nicht
wirklich leichter und natürlich ziehe ich mich dann auch eher zurück.
In Köln habe ich einfach
einmal mehr gemerkt, dass die Distanz zu allem gut tut. Auf den ersten Blick
ja, auf längere Sicht hin wäre es wohl nicht das richtige. Aber ich hatte keine
Grübeleien, keine Zweifel, keine Gedanken. Ich war einfach alleine in Köln und
es stimmte. Die Ruhe im Kopf. Okay, in Sachen Einkaufsverhalten habe ich total
versagt, aber es verwundert mich ganz ehrlich nicht in der aktuellen Situation.
So hatte ich auch einen wirklich heftigen Fressanfall von Samstag auf Sonntag,
wobei ich bereits von Freitag auf Samstag ordentlich zugeschlagen hatte. Und
natürlich hat sich mein Magen dementsprechend gemeldet, ich hatte
Bauchschmerzen und jetzt sogar noch nach kaum Nahrungsaufnahme am Sonntag bis
jetzt ein enormes Völlegefühl.
Köln hat mir persönlich gut getan.
Meinem Geldbeutel nicht. Aber es war eine gute, wichtige Auszeit für mich. Und
ich werde dies bald mal wieder tun. Aber eben, all diese Gefühle bzw. dieses
Wohlgefühl im Alleinsein macht mir natürlich Angst.
Auf der anderen Seite muss ich
ganz ehrlich betrachtet eingestehen, dass meine Zukunft aktuell doch so
aussieht. Ich bin überzeugt, dass alle ihren Weg gehen werden. Nur ich werde in
zehn Jahren immer noch alleine meinem Alltagstrott nachgehen. Denn etwas
anderes kann ich mir für mich nicht vorstellen. Da wird niemand kommen. Und ich
weiss das, irgendwo ganz tief in mir verankert.
Und ich weiss auch, dass ich meinen zweiten Entscheid fürs Leben wohl oder übel irgendwann einmal sehr bereuen werde. Ich persönlich sehe aktuell einfach nicht die Zukunft für mich, welche ich mir lange erhofft und ersehnt habe. Und da kann man mir nicht verübeln, dass ich einfach keine Lust, keinen Bock und keine Kraft mehr auf diesen ständigen Kampf habe.
Und die ständige Frage nach dem "warum ich?" ist damit auch legitimiert.
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