Sonntag, 1. März 2015

den tatsachen ins auge sehen

Ich habe diesen Schritt schon einmal geschafft und arbeite im Moment wieder daran, an meinen damaligen Stand zurück zu gelangen.

Man macht Witze darüber und belächelt alles (man selbst macht dabei mit, weil es schon wirklich fast zu lustig ist!). Mitarbeiter freuen sich über deine Eigenheit und ja, es bringt auch fast alle zum Schmunzeln. Aber wenn dich die Sucht persönlich betrifft, sieht alles anders aus. Du muss dir dann wirklich eingestehen, dass du gefangen bist. Zwar äusserlich mitlachst, die Situationen auch ulkig und komisch findest und ja, auch darüber freust, dass dein Umfeld dich speziell findet und dich genau wegen dieser flippigen, uneigenen Art schätzt... aber innerlich weinst du bittere Tränen.

Ich weiss es nicht erst seit gestern. Ich weiss es seit ein paar Jahren. Und da überall immer mehr zu jeder Zeit verfügbar ist (auch Online), ist man schnell im Strudel gefangen: Kaufsucht.

Eben, mein Umfeld belächelt mich. Findest es lustig, wenn ich mal wieder auf Tour war. Meine bunten Taschen, ausgefallenen Schuhe und meine Kleidungsweise. Ich lache mit. Man denkt sich halt schon irgendwie typisch Frau.

Aber ich weiss auch, dass ich schon einmal hart an meinem Verhalten arbeiten musste und es ein Jahr im Griff hatte. Sah, was ich in diesem Jahr gespart hatte, weil ich "normal" mit meinem Einkaufsverhalten umgehen konnte. Ich weiss, dass ich verdammt nahe am Abgrund stand und letztes Jahr bestimmt NICHT mein Einkaufsverhalten im Griff hatte. Wie lange ich gebraucht habe, um meinen Kleiderschrank vor ein paar Wochen zu entrümpeln, wie viel Geld ich in Säcke gestopft habe. Wie viel mit der Kreditkarte weggeflutscht ist und erst, seit Amerika wirklich definitiv wird, habe ich die Handbremse gezogen.

Eine Sucht hat so viele Gesichter. So viele Gründe. So viele Warums. Und so viel Unverständnis. Du selbst bemerkst es, du selbst weisst alles bei klarem Verstand. Es ist dir wirklich alles bewusst. Du hasst dich für dein Verhalten, deine Schwäche, deine Disziplinlosigkeit. Aber Sucht bleibt Sucht. Und ein grosser Schritt ist gemacht, wenn du es eingesehen hast.

So auch ich. Man kann es nicht erklären. Es gibt kaum Verständnis dafür. Am ehesten kann man es noch so beschreiben: 

Suchtdruck ist wie ein Ausserirdischer, der sich mit Gewalt die Herrschaft über ein menschliches Gehirn und den Körper verschafft und dessen Fähigkeiten alle für sich nutzt. Erst wenn der Ausserirdische kein Interesse mehr hat. lässt er den Menschen wieder los, der dann den Schaden wieder aufräumen muss.

Das können die weniger nachvollziehen - ist mir bewusst. Aber man darf auch nicht vergessen, dass von Aussen immer leicht gesagt ist, man würde das und jenes anders machen, man wäre stark und würde dem und dem nicht verfallen. Aber mitreden können schlussendlich nur jene, welche es betrifft. Und daher weiss ich auch, wie verdammt schwierig es ist, seine Kreditkarte abzugeben, nach Wochenbudget zu leben und somit wieder ein klein wenig mehr von den Eltern bevormundet zu sein. Im Wissen (und ich schätze mich glücklich darüber!!!), dass ich verständnisvolle, geniale, tolle Eltern habe, die mich unterstützen. Bei denen ich mich Fallen lassen kann und mich nicht hilflos ausgeliefert fühle. Sie können mir beistehen, ja. Aber herausschaffen muss ich es alleine, vor allem, um weiterhin eigenständig leben zu können. Zudem hatte ich bis jetzt das Glück, nie Schulden wegen meinem Einkaufsverhalten gemacht zu haben. Bin aber überzeugt, dass dieser Punkt nächstens gekommen wäre, hätte ich mich nicht selbst gebremst.

Viele vergessen, dass Shopping heutzutage als Hobby gilt. Und überall bestehen da Reize und Möglichkeiten. Man braucht Kleidung, um unter die Leute gehen zu können.

Und die ersten Schritte sind gemacht... Und ich weiss, dass ich mich nicht von selbstzerstörerischen Gedanken demotivieren lassen darf. Warum ich, warum muss ich wieder mit Hilfe irgendwo rauskommen und und und. Nein. Ich akzeptiere es. Es gehört zu meinem Leben. Und ich schaffe es!

 (www.mittelbayerische.de)

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