Sonntag, 27. September 2015

kraftquelle anzapfen

Leider kommt es mir gedanklich oft so vor, als läge meine Auszeit schon Jahre hinter mir. Und doch kann ich zum Glück noch oft Energie aus ihr schöpfen.

Es ist zweigeteilt. Ich sehe mich wie vor der Auszeit in der Zukunft nicht wirklich irgendwo. Existenz- und Geldsorgen sind allgegenwärtig. Und ich habe Angst, dass ich irgendwann einmal meine Auszeit nur noch mit der Geldausgabe verknüpfe und sie bereue. Wobei ich mir dann ganz klar mache, dass es nicht lange gut gegangen wäre und ich a) frühzeitig gekündigt, b) mir etwas schlimmes angetan oder c) mich einweisen lassen hätte. Und das ist nicht einfach so dahin gesagt. Nur ich weiss. wie ich die schwierige Zeit vor Amerika erlebt und verdrängt habe. Und es wäre wirklich nicht mehr lange gut gegangen. Und dadurch, dass ich ein totales Burnout und ein Neuanfang bereits hinter mich gebracht habe und weiss, wie langwierig und intensiv das alles ist (ich spreche von sechs, sieben Jahren - nicht nur ein paar Monate!), habe ich nicht wirklich mehr Kraft für einen weiteren Neuanfang. Nicht umsonst sage ich mir immer, dass ich, sollte ich jemals eine schwere Krankheit diagnostiziert bekommen, nie dagegen ankämpfen werde. Für mich reicht es dann und ich schliesse mit meiner Zeit hier ab. Und ich habe mit diesem Gedanken meinen Frieden gefunden. Liegt wahrscheinlich auch unter anderem daran, dass ich sowieso im Gefühl habe, nicht alt zu werden.

Manchmal schaffe ich es aus der Gedankenspirale. Wie gesagt, oft lebe ich ja meinen Alltag irgendwie doch und meist ist der letzte Gedanke und mein Kampfwille positiv. Und doch: jeden Tag von neuem dagegen ankämpfen, Gedanken runterschlucken, mich meinem Leben stellen, wieder diese sozialen Kontakte und alles, was damit entsteht und der zwischenmenschliche Umgang. Es ist viel im Moment. Ich schaffe es ja irgendwie, aber dem Selbstwert hilft es nicht wirklich. Schnell folgen dann Kaufgelüste und die letzten Tage musste ich wirklich ein paar Mal hart gegen eine Onlinebestellung kämpfen. Klar, viele denken sich: ist doch nichts schlimmes dabei. Doch. Denn auch ein Alkoholiker, welches sich das Trinken abgewöhnen möchte, trinkt nicht einfach "nur noch zum letzten Mal einen Schluck". Denn die Konsequenzen sind immer kontraproduktiv. Es wird nur noch schwieriger. Und ich möchte es schaffen, stark bleiben und mein Leben wieder in die geregelte Bahn bekommen.

Körperlich fühle ich mich zunehmend wohler. Fühle mich leichter und die Physio geht mir auch leichter von der Hand. Aber ich bin sehr "hart" mit mir unterwegs, esse meist nur etwas zum Frühstück und einen Apfel und eine Banane zu Abend. Ich weiss ganz genau, das ich es falsch mache. Aber irgendwie fühlt sich dieser knurrende Magen einfach richtig und gut als Bestrafung an. Als hätte ich es nicht anders verdient. Vom Äusseren her mag ich mich aber gar nicht im Spiegel betrachten.

Männer lösen seit ein paar Tagen Ekel in mir aus. Klingt jetzt hart - eher der Gedanke an mich und der Kontakt mit Männern jeglicher Art. Ich werde hier noch etwas verarbeiten. Und auch dort einen Entschluss fassen und mich daran halten. Konsequent. Zu meinem eigenen Wohl.

Wichtig ist mir aktuell meine Familie. Das ich meine Mutter im Haushalt entlaste. Ich übernehme aktuell fast alle Arbeiten und ich weiss, dass ich mir Zeit mit dem Zurückstottern lassen kann. Aber trotzdem bleiben da noch die Ängste und Gedanken zu einem Lohn mit kleinem Stellenprozent und meine alltägliche Ausgaben bzw. die gebundenen Ausgaben Ende Monat. Es wird bestimmt die nächsten zwei Jahre andauern, bis ich alles zurückzahlen konnte. Reicht sonst schon nicht das Schuldgefühl meinen Eltern gegenüber. Und vor allem dieses Gefühl, als Tochter versagt zu haben. Und dieses Gefühl habe ich nun seit bald zehn Jahren. Seit der ganze Scheiss losgegangen ist. Denn ich hätte alles anders gemacht, wäre es so nicht verlaufen. Tja, so bleibe ich halt noch ein Weilchen zu Hause und muss selbst schauen, wie ich mit meinen Gefühlen in diesem Zusammenhang klar komme.

Existenz- und Geldängste. Hadern mit dem Schicksal. Gedankenspiralen, welche einen Alltag nicht einfach machen. Akzeptieren, dass sie zu meinem Leben gehören. Dazu noch weitere Geschichten wie die Sache mit den Männern, das Alleinsein und auch weitere Zukunftsfragen (dessen Entscheidungen ich mich oft durch meinen Werdegang beraubt fühle und es alles noch schwieriger macht), die alle miteinander verknüpft sind.

Klar, ich könnte sagen: scheiss drauf. Scheiss auf meine Eltern. Auf ihren Kredit. Auf meinen Job. Auf meine Rente. Ich ziehe aus, such mir einen Typen, lass mich schwängern und gehe nicht mehr arbeiten die nächsten Jahre. Der Staat wird schon für mich gucken.

So bin ich aber nicht. Ich habe Verantwortung. Gegenüber allem in meinem Leben. Es wäre so einfach, die Kontrolle und Selbstverantwortung fallen zu lassen. Aber es passt nicht zu mir. Egal, wie verschissen es mir geht. Ich stehe immer wieder auf, klopfe mir den Staub von den Knien und laufe weiter. Durchlebe tagein, tagaus diesen Stuss. Klar, schlussendlich ist es das, was zählt. Und würde ich meinen Alltag nicht irgendwie schaffen, würde ich mich noch mehr hassen und es wäre noch schwieriger für mich.

Aber kann man meine Gedanken und den Anschiss nicht verstehen? Das ich es satt habe? Einfach immer weniger den Sinn dahinter verstehe? Und Angst habe, wo ich in zwei Jahren bin? Angst, vor dem ganz sozialen Abstieg? Ich fühle mich vielem beraubt. Und das frisst mich innerlich auf. Heute mal wieder sehr intensiv. Daher hilft mir diese Plattform auch oft. Denn ich kann es mir von der Seele schreiben, weil ich mit niemandem sonst darüber spreche.

Ich versuche, mich mit meinen Fotoalben abzulenken. Es Schritt für Schritt zu nehmen. Das es mit dem Geld nach Amerika knapp ist, wusste ich bereits vor meiner Abreise. Ich habe es mir hart zusammengespart. Mit meinen Eltern habe ich eine gewisse Summe ab einem gewissen Monat ausgemacht. Ich muss mir also keine Sorgen machen, ich bin zu Hause sicher, habe ein Dach über den Kopf und helfe tatkräftig mit. Und irgendwann geht auch für mich wieder eine Tür auf und wer weiss, in zehn Jahren bin ich vielleicht die, welche meine Eltern unterstützen und ihnen unter die Arme greifen kann.

Ich bleibe dran, klar. Aber es ist nun mal immer schwer, damit klar zu kommen, wenn man sich sein Leben immer anders für sich vorgestellt und ausgemalt hat. Und daher werde ich die nächsten Wochen und Monate Tag für Tag mit diesen Scheissgedanken konfrontiert werden. Gegen aussen die muntere, lockere zambrottagirlie. Welche innerlich so etwas von anders mit sich selbst umgeht. Wenn ich könnte, würde ich mich selbst vernichten. Und ich denke, mein Hungern ist unter anderem eine Härte mir selbst gegenüber. Wenn ich meine Familie nicht hätte...

Sorry, ist grad ein wenig viel. Die Fotoalben helfen mir. Werde die nächsten sechs Monate bestimmt damit beschäftigt sein. Berlin, Köln, Hamburg und Mallorca stehen noch an. Dann meine allgemeinen Fotos der letzten fünf Jahre - gefolgt von meiner traumhaften Auszeit.

Klar, in vielem merke ich, wie es mir am Arsch vorbeigeht. Sorry für den Ausdruck, ist aber so. So auch meine Chefin wieder am Freitag. Ich habe innerlich einfach nur die Augen verdreht und abgewunken. Es gar nicht an mich rangelassen. Soll sie zetern und motzen - egal, wie ich es mache, ich mache es ihr nicht recht. Und verschwende keine weitere Energie für so eine Person.

Und genau so gehe ich mit Mitmenschen um, die meinen, mich und mein Leben besser zu kennen. Welche nicht diese Vergangenheit haben und daher gar nicht mitreden können. Ich musste alleine da durch und nur ich weiss, wie es genau verlaufen ist. Ich bleibe auf meinem Weg. In der Hoffnung, in ein paar Jahren einfach dort zu sein, wo ich mich jetzt schon gerne sehen würde. Leider ist unsere Gesellschaft so, dass wir immer das Gefühl haben, es anderen Recht machen zu wollen. Warum eigentlich? Übernehmen sie dafür auch unsere Schicksalsschläge, Lebensumstände etc.? Nein. Also, wozu? Man kann es schlussendlich niemandem recht machen. Niemandem. Meist wird man zudem nur enttäuscht und links liegen gelassen, sobald man nicht mehr von Nöten ist.

Mir graut vor Morgen. Da befasse ich mich mit meiner Post und meinen Rechnungen. Muss zur Bank und mich mit meinem aktuellen Guthaben befassen und auseinandersetzen. Und davor graut mir. Klar, das muss jeder auf dieser Welt, nicht nur ich. Und kaum jemand macht das gerne. Aber eben, wie soll das jemand nachvollziehen, der nie wirklich an Geld- und Existenzängste gelitten bzw. sehr nahe an den sozialen Abgrund gestanden hat. Ich habe jetzt schon Angst davor, was es morgen alles in mir auslöst...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen