Borderline heisst wörtlich übersetzt "Grenzlinie". Ich denke, der Begriff kommt daher, da man oft mit den Gefühlen auf einem Seil tanzt. Jauchzend bis zu Tode betrübt.
Es fühlt sich auch so an, wenn man in einer solchen Phase ist.
Für mich zumindest. Ich fühle mich irgendwie dazu verpflichtet, hinzuweisen, dass dieser Eintrag eine Anspannung erhöhen bzw. dysfunktionales Verhalten fördern könnte.
Das bleibt jedem selbst überlassen.
Ich muss heute wohl oder übel die Reissleine ziehen. Ich wollte mein dysfunktionales Verhalten der Therapeutin gegenüber verschweigen. Einerseits muss ich jedes Mal nach einem Ess- bzw. Kaufanfall oder einem Selbstverletzungsrückfall eine Verhaltensanalyse ausfüllen und ich hasse es wirklich, dies zu tun.
Wenn ich gekauft habe, gefressen oder mich gschnitten habe, möchte ich mich nicht noch einmal damit auseinander setzen. Mir ist bewusst, dass ich dadurch gewisse Verhaltensmuster durchbrechen könnte und eine Analyse daher wichtig ist.
Aber ich möchte verdrängen. Ich schäme mich dann und bin selbst von mir enttäuscht, dass ich mal wieder auf ein solches Verhalten zurück greifen musste. Es hat nichts mit Stolz zu tun.
Und im Verdrängen bin ich gut.
Heute war es einfach zu viel. Ich möchte nicht auf die Umstände eingehen, es war mir einfach ein wenig zu viel von dem hier und jenem da. Es hat sich vieles angestaut und ich habe keine Lust, mich immer zu wiederholen. Ausserdem war es schon Krampf genug, dies in der Verhaltensanalyse offenbaren zu müssen.
Fakt ist einfach: ich muss es der Therapeutin sagen. Ich will hier betonen, dass ich mich bis April 2012 nie regelmässig geschnitten habe. Es gab teilweise "trockene" Zeiten bis zu 18 Monate. Aber seit April gibt es keine Regelung und kein Mass mehr.
Und das macht mir Angst.
Ich war schon immer eine, die "sich selbst bestrafen" wollte, wenn etwas nicht so klappte, wie ich es mir eigentlich selbst aufgetragen hatte. Wenn ich meine Ansprüche nicht erreicht hatte, wurde gekauft. Wenn ich traurig war, wurde gekauft. Wenn ich glücklich war, wurde gekauft. Und so auch mit dem Essen.
Ein wirklich leerer Magen, der schmerzt und nach Essen schreit, kann genauso schmerzhaft sein, wie ein Bauch, der zu platzen droht, weil man so viel gegessen hat. Beides fühlt sich nicht gut an.
Für mich hat diese Art von dysfunktionalem Verhalten und vor allem das Ritzen nie die Aufgabe gehabt, mich wieder spüren zu können, wie es viele Borderliner und Bücher zu diesem Thema sagen. Bei mir ist es eine Bestrafungssache.
Und seit April kommt dieser Impuls sehr schnell. Oft und sehr früh habe ich das Gefühl und den Gedanken, mich bestrafen zu müssen. Früher war das nicht so. Da kamen Essens- und Kaufgelüste, manchmal auch gar nichts. Teilweise konnte ich es aushalten und das beweisen ja die "trockenen" Zeiten von bis zu 18 Monaten.
Aber seit April... Ist nichts mehr normal. Ich muss schon nur zum Beispiel vergessen haben, eine Frucht zu wägen und es erst bei der Kasse bemerken. Die Verkäuferin lächelt nett, die Schlange an der Kasse ist nicht lang und eigentlich ist alles gut. Aber bei mir kommt sofort das Bild hoch, zur Schere zu greifen und loszulegen.
Und heute habe ich mal wieder hautnah gespürt, wie gut es sich anfühlt, wenn man sich bestraft. Und damit meine ich auch die Gradwanderung. Eine Selbstverletzung sollte NIE ein gutes Gefühl hinterlassen. Klar, früher oder später schämt man sich, ansonsten würde ich die Wunden nicht verstecken und hätte mein "Feld" vom Unterarm nicht auf den inneren Oberarm verlegt. Ich weiss nicht, ob man es versteht, wie ich es meine.
Ich befinde mich auf einem gefährlichen Weg. Habe heute gemerkt, wie gut man die Bestrafung fühlt, wenn man sie richtig ausgeführt hat. Es gibt nichts anderes, als das Brennen auf der Haut. Und wenn der Stoff auch noch unangenehm reibt und man daran erinnert wird. Es fühlt sich schon fast herrlich an, wenn man nichts anderes wahrnimmt, als das. Es ist etwas da. Man lebt (und ja, spürt sich auch ein wenig).
Es ist wie eine "Wohltat", dass es sich so anfühlt, wie es sich eben anfühlen sollte. Ich bestrafe mich ja nicht und es fühlt sich nicht so an. Es ist vielleicht ein makaberer Vergleich, aber wenn man einem Kind den Hintern wegen einer Sache versohlt, wird es sich daran erinnern, sobald es sich irgendwo hinsetzen möchte.
Und nein, ich bin nicht für das Schlagen von Kinder. Aber auch ich habe mal eine heftige Ohrfeige von meiner Mutter bekommen und glaubt mir, von da an habe ich in gewissen Situationen nicht so reagiert, wie vor dieser saftigen Lehre.
Ich habe Angst, dass es so weitergehen wird.
Und doch weiss ich, dass ich die Konsequenzen nicht haben will. Denn die werden sein: wieder regelmässige Therapie und vor allem die Auseinandersetzung mit dem Thema Akzeptanz der Diagnose, Männer und meinen Ansprüchen an mich selbst.
Ja, ich bin wieder an einem Punkt, wo ich nicht weiss, ob ich alles schaffe. Ob ich überhaupt jemals normal arbeiten kann.
Mein Wunsch im Moment: Italien. Meine Ruhe. Meine Heimat. Denn dort geht es. Ich lebe fast allein auf dem Land, kann machen und tun was ich will und entscheide mich dort irgendwie immer richtig. Ich nerve niemanden, belaste niemanden und enttäusche niemanden. Ich kann meinen Alltag bewältigen und habe nicht immer das Gefühl, nichts wert zu sein. Einfach allein sein, einsam. Es ist traurig und schmerzhaft zu gleich, dies zu tippen und zu lesen.
Aber es stimmt nun mal. Ich fühle mich nie so befreit und "normal", wie in den Ferien. Wenn ich meine Ruhe habe. Nicht über mich sprechen muss. Nicht mit zwischenmenschlichen Situationen konfrontiert werde, mich nicht "beweisen" muss und meine Ansprüche auch nicht so aktiv sind. Wenn ich einfach mir selbst überlassen bleibe.
Vielleicht sollte ich diesen Eintrag drucken und meiner Therapeutin vorlesen. Weil ich mich immer öfters unverstanden fühle, mich nicht richtig ausdrücken kann und einfach das Gefühl habe, im Schriftlichen besser zu sein als im Mündlichen.
Vielleicht sollte ich diesen Eintrag drucken und meiner Therapeutin vorlesen. Weil ich mich immer öfters unverstanden fühle, mich nicht richtig ausdrücken kann und einfach das Gefühl habe, im Schriftlichen besser zu sein als im Mündlichen.
Und ich habe Angst davor, dass dieses Gefühl immer so sein wird.
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