Freitag, 1. Oktober 2010

lebenszeichen...

Ich weiss gar nicht, womit beginnen. Seit meinem letzten Eintrag ist eine wirklich lange Zeit vergangen. Eigentlich untypisch für mich, schreibe ich doch mehrmals die Woche.

Aber es geht mir momentan nicht wirklich gut. Keine Ahnung, was der Grund oder der Auslöser sein soll. Ich vermute, es ist der Monat Oktober. Damit sind bei mir ja nur schlechte Erinnerungen verbunden. Mein Grossvater ist im Oktober 1996 verstorben, was unter anderem sicher zum Auslöser meines Borderlines beiträgt. Mir ist bewusst, dass nicht nur dies der Grund sein kann, aber ich glaube schon zu wissen, dass es nun mal einen Bestandteil des Auslösers ausmacht.

In meinem Unterbewusstsein darf ich im Oktober nicht glücklich sein. Der Oktober ist doof. Gemein. Er hat mir etwas Wertvolles weggenommen. Meine Therapeutin hat mich dienstags gefragt, ob ich denn im Oktober fröhlich sein darf? Ich stutzte. Mein Kopf sagt mir teilweise ja. Mein Körper jedoch verkrampft sich total. Während andere über den Herbstbeginn zu philosophieren beginnen, diese bunten Farben und das Rascheln der Blätter loben, zieht sich mein Herz zusammen. Ich glaube, es braucht noch viel Arbeit, damit ich dies alles mit anderen Augen sehen kann.

Aber die Therapiestunde hat mir sehr geholfen. Meine Therapeutin hat mich gebeten, die Augen zu schliessen und mir bildlich die Dinge vorzustellen, zu denen sie mich führt. Es ging um den 30.10.2010, da findet nämlich das Andenken von Grossdäddi statt. Sie führte mich ans Grab, fragte, wer genau anwesend ist. Fragte, was ich ihm erzähle. Fragte, ob er glücklich ist. Fragte, ob er will, dass ich seinetwegen so traurig bin (ach, wie viele Male haben mir Grosi und Muddi gesagt, dass Grossdäddi der letzte ist, der will, dass ich seinetwegen so leide). Es war anfangs sehr schwierig, aber irgendwann einmal liess ich mich treiben, sass mit geschlossenen Augen auf diesem Stuhl und fühlte mich in die Zukunft versetzt. Auf einmal kullerten Tränen, die Trauer kam über mich herein. Ich musste eine Weile verharren, die Trauer richtig erspüren. Ich war erstaunt, wie gut ich die Trauer loslassen konnte, als meine Therapeutin sagte: „Verabschieden sie sich nun von der Trauen, versprechen ihr jedoch, dass sie wieder mal kommen darf.“ Ich versprach es dem Gefühl…. Jedoch noch sehr zaghaft.

Am Ende der Sitzung fühlte ich eine Erleichterung. Die Tränen hatten wahrscheinlich doch etwas Gutes an sich. Doch fast schon wieder hatte ich ein schlechtes Gewissen, dass ich mich – kurz nachdem ich an Grossdäddi gedacht hatte – wieder gut fühlte. Aber dafür brauche ich einfach noch ein klein wenig Zeit. Die Therapeutin meinte, ob mich die Trauer von nun an öfters besuchen dürfe (da ich die Erfahrung gemacht habe, dass sie kurz und schmerzhaft kommt, mir jedoch auch hilft, damit umzugehen und mich danach doch ein klein wenig besser zu fühlen) und sie mir ja gar nichts Böses will? Ich bejahte. Zaghaft. Es war eine wichtige Erfahrung, aber ich muss es erst mal sacken lassen.

Die letzten beiden Wochen sah ich mich zudem überhaupt nirgendwo in der Zukunft. Ohnmacht, Hilflos- aber auch Hoffnungslosigkeit sind ganz eklige Gefühle. Man hat keinen Boden mehr unter den Füssen. Gefühle, die nur schwer auszuhalten sind. Und die empfand ich, wenn ich an meine berufliche, wie auf private, Zukunft dachte (sogar jetzt noch verspüre ich es). Es fehlte nicht viel und ich hätte meine sieben Sachen gepackt, wäre zu Grossdäddis Grab gefahren, hätte ihm ein letztes Geschenk hinterlassen und wäre dann Richtung Meer gedüst. Das letzte Mal die Wellen beobachten, die Luft einatmen, die zweite Heimat geniessen. Und dann gehen. Aber da gibt es verschiedene Verträge mit meiner Therapeutin, der Klinik und Freunden und Verwandten. Aber was, wenn ich nicht mehr in Therapie sein werde? Was, wenn es mir so was von egal wird? Erschreckenderweise war es mir dieses Mal sogar ein klein wenig mehr „schnuppe“, mich an diese Verträge zu halten, als bisher. Und da schellen nun mal meine Alarmglocken schon.

Zudem fühle ich mich minderwertig. Ich bin nicht gerade im Einklang mit meinem Körper. Und dies gibt er mir irgendwie zu verstehen. Ansonsten ging ich immer mit einem Gefühl von „angenehmer Ruhe“ durch die Welt. Ich spürte kaum etwas, aber wusste, es geht mir mehr oder weniger gut. Es war nicht diese nicht aushaltbare Leere, sondern eine „angenehme Leere“ --> eben diese „Ruhe“, wie ich sie selbst lieber nenne. Und wenn man sich nicht wohl fühlt, findet man irgendwie alles doof.

Zudem sehe ich überall diese perfekten Menschen (vor allem Frauen). Volles, langes, gesundes Haar, schöne Haut, tolle Körper, perfekt gestylt und einfach PERFEKT. „Welcher Mensch kennt solche Gedanken nicht?“, werdet ihr euch nun denken. Aber es kann doch nicht angehen, dass ich auf einmal das Gefühl habe, alle Kleider von mir sind scheusslich?! Immer wieder frage ich Muddi oder meine Schwester, ob ich mit einem Outfit das Haus verlassen kann. Ich komme mir einfach so…. keine Ahnung wie vor. Und dadurch, dass ich mich unwohl vorkomme, habe ich Angst, die Leute denken von mir, ich sei ungepflegt. Letztens war es ein kleiner Punkt in der Therapie (als ich diesen Kuchen ausfüllen musste, was ich bei Mitmenschen als erstes sehe bzw. was mir bei ihnen wichtig ist, wenn wir in Kontakt treten). Wir besprachen die Punkte durch und da meinte die Therapeutin: „Und nun zu diesem Punkt. Ein Mensch sollte für Sie gepflegt sein, Frau Zambrottagirlie. Halten Sie sich selbst für gepflegt?“ Ich denke, sie hatte mit einem Ja als Antwort gerechnet. Als sie jedoch keine Antwort bekam, schaute sie von der Tafel weg nach hinten zu mir. Stutzte und meinte: „Oder nicht?“ Ich druckste herum. Sie meinte nur: „Frau Zambrottagirlie, in meinen Augen sind Sie ein Mensch, der sich pflegt. Klar, Sie schminken sich nicht für jede Sitzung, aber dies ist doch jedem Menschen selbst überlassen.“ Da seht ihr, wie verzerrt mein Bild über mich selbst ist.

Ich sehe nur meine Fehler. Keine andere Frau leidet darunter, nur ich. In den verschiedensten Soaps, Serien oder Filmen vergleiche ich mich immer mit all diesen tollen Frauen. Da ist es mir egal, wie lange sie dafür in der „Maske“ gesessen haben… Es sieht einfach toll aus! Angefangen bei meinen Haaren, die immer weniger zu werden scheinen. Als Kind hatte ich so tolle volle Haare… nun habe ich Angst, als Frau eine Glatze zu bekommen…. Zudem sollte ich mal dringend zum Coiffeur. Weiter geht es mit meinen Augen. Einfach so stinknormal und nichtssagend. Und eines ist grösser als das andere. Die Augenbrauen sind auch alles andere als symmetrisch. Gefolgt von diesen komischen Händen mit komischen Fingernägeln… Wäh! Wenn ihr wüsstet, wie oft ich die verflucht habe. Dann noch meine fettige Haut. Meine komische Gesichtsform. Mein flacher Hintern. Meine dicken Waden. meine komischen Füsse (eigentlich sind sie schön, nur tun mir immer die kleinen Zehen in etwas höheren Schuhen weh, kreisch!), und und und. Ihr merkt, worauf ich hinaus will : ). Uuups, ich glaube, mein erstes Smiley in diesem Eintrag. Und das will schon etwas heissen : /.

Und ansonsten zweifle ich auch an meinen beruflichen Fähigkeiten. Obwohl ich ein saugutes Zwischenzeugnis ausgestellt erhalten habe. Es ist der HAMMER! Und doch grüble und achte ich noch zu sehr auf Mimik und Gestik der Mitarbeiterinnen.

Dieser Zustand nervt mich. Ich kann mich auf nichts mehr konzentrieren (was mich zusätzlich noch mehr aufregt). Sobald ich zu Hause bin und einfach nur in die Glotze schauen kann, geht es wieder einigermassen. Dann fühle ich mich sicher und geborgen. Wahrscheinlich, weil ich dann alleine bin und auf niemanden mehr achten muss.

Ich habe mich enorm zurück gezogen die letzten Tage. Und dies ist immer ein Anzeichen für mich, dass etwas nicht stimmt. Nur scheine ich es immer noch einen Tick zu spät zu bemerken, womit ich mich wieder selbst unter Druck setze (warum habe ich nicht schon früher etwas gemacht, sondern so lange damit gewartet?!). Eine komplexe, wirre Sache dieses Borderline.

Teilweise tut Rückzug gut. Aber nicht so.

Heute geht es wieder ein klein wenig. Ich bin den Mittag über mit einer Mitarbeiterin Schuhe angucken gegangen. Hat gut getan. Kaufdränge habe ich momentan zum Glück nicht. Nur solche Essensgelüste…. kaum auszuhalten. Aber heute Abend darf ich zuschlagen, da gibt es Pommes. Und ich habe echt so was von Heisshunger auf Pommes : ) (schau an, der zweite, glückliche Smiley!).

Mal schauen, was dieses Weekend bringt. Immerhin darf ich früher in den Feierabend (Wäsche lässt grüssen, siehe Eintrag weiter oben). Obwohl ich den 16.00-Uhr-Zug nehme, wird es 17.00 Uhr, bis ich zu Hause ankomme *ächz*.

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